Transit

Tag 1
Als ich früh aufwachte, war ich gut gelaunt und freute mich darauf, dass es nun endlich losgehen würde. Ich sah aus dem Fenster und es schüttete wie aus Eimern. Kein guter Start. Weil mein Auto nicht anspringt und der Weg auf zwei Rädern indiskutabel war, holte mich Klausn ab und wir fuhren zur Autovermietung. Dort war nicht viel los und alles lief reibungslos. Die Frau hinter dem Tresen hielt den Schlüssel für einen Ford Transit hoch, den wir uns gemietet hatten und tat so, als würde sie eine Glocke läuten, was natürlich quatsch war, weil sie nur den einzelnen Schlüssel in die Luft hielt.

FotoCustomer Sales Representative bei der Hertz Autovermietung in Berlin Lichtenberg.

Ich nahm den Schlüssel, dann suchten wir den Wagen, verstauten die Mopeds, verzurrten alles ordnungsgemäß, stiegen ein und fuhren los.

DCIM101GOPROErster Stau kurz hinterm Dreieck Nuthetal

Kurz hinter Berlin mussten wir eine Pause machen weil ich aufs Klo musste und wir nutzten die Gelegenheit fürs zweite Frühstück. Klausn, der alte Raststättenspießer, bestand darauf, dass wir das Essen zum Mitnehmen holten, damit es schnell weiter gehen kann. Als wir weiter fuhren sagte Klausn irgendwann, dass es noch voll weit sei und dass sich die Strecke bis Hannover immer endlos zieht. Der Satz machte mir den ganzen Scheiß dieser öden Fahrt wieder bewusst. Ich war ohnehin schon sauer, weil mir beim Einsteigen aus meiner Pommestüte die Hälfte rausgefallen war und antwortete mit erschöpfter, leidender Stimme, dass er das jedes verdammte Mal sagen würde wenn wir hier lang fahren und ich das langsam nicht mehr hören kann und ich sowieso müde sei und mich gleich mal hinlegen und ne Runde pennen würde, und er gerne den Rest bis nach Bonn fahren könne, sofern ich bei dem ganzen Gepäck und Müll überhaupt Platz finden würde. Hier schien alles wichtiger zu sein, als dass ein geschröpfter Mann mal sein müdes Haupt betten kann. Das ging irgendwie alles nicht gut los fand ich.

Kurz vor 17:00 Uhr erreichten wir Bonn und ich hatte mich wieder einigermaßen im Griff. Als wir parkten und die Mopeds abluden kam Austi angeknattert. Wir nahmen unseren Krämpel, gaben das Auto ab und fuhren zu ihm.

IMG_20140625_191017Zum Tourauftakt totes Fleisch über offener Feuerstelle warm machen

 

IMG_20140625_212846Spiegel einstellen, damit der Klausn mich nicht überrumpeln kann

 

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Für heute waren wir durch. Wir fummelten noch etwas an den Mopeds rum, quatschten dummes Zeug und drehten zur Einstimmung eine kleine Runde durch Bonn. Die Option, heute schon die erste Etappe zu fahren war vom Tisch. Also gingen wir in die Mausefalle, einer kleinen, schäbig eingerichteten Spielunke bei Austi um die Ecke, tranken noch ein paar Bier, quatschten weiter dummes Zeug und machten uns noch einen schönen Abend.

Heutige Defekte: keine

Tourplan

Austi hat schon mal den folgenden Plan für uns alle gemacht und ihn als verbindlichen Vorschlag präsentiert. Der alte Klarsichthüllenfreak.

Tag 1: Bonn – Cochem. Strecke: ca. 120 km
09:00 Uhr Aufstehen
10:00 Uhr Abfahrt Richtung Mosel nach Cochem oder Treis-Karden
15:00 Uhr Ankunft und Hotel suchen
15:30 Uhr Burg Elz besichtigen
19:00 Uhr Abendessen
20:00 Uhr Zurechtmachen
21:00 Uhr In Form bringen
23:59 Uhr Heiaheia

Tag 2: Cochem – Trier. Strecke: ca. 132km
08:30 Uhr Aufstehen
09:30 Uhr Abfahrt Richtung Trier
17:00 Uhr Ankunft und Hotel suchen
17:30 Uhr Trier besichtigen
19:00 Uhr Abendessen
20:00 Uhr Zurechtmachen
21:00 Uhr In Form bringen
23:59 Uhr Heiaheia

Tag 3: Puffer oder Offtag in Trier

Tag 4: Trier – Nürburgring. Strecke: ca. 90km
09:00 Uhr Aufstehen
09:30 Uhr Abfahrt Richtung Pulvermaar (Vulkan-See)
12:00 Uhr Pulvermaar begutachten und für gut befinden
13:00 Uhr Weiterfahrt nach Nürburgring
16:00 Uhr Ankunft und Hotel suchen
16:30 Uhr Nürburg besichtigen
18:00 Uhr Abendessen
19:00 Uhr zurechtmachen
20:00 Uhr in Form bringen
23:59 Uhr Heiaheia

Tag 5: Nürburgring – Bonn Strecke: ca. 66km
10:00 Uhr Aufstehen
11:00 Uhr Abfahrt Richtung Bonn
15:00 Uhr Ankunft
15:30 Uhr Mausefalle
16:00 Uhr zurechtmachen
17:00 Uhr in Form bringen
23:59 Uhr Heiaheia

Jugendsünden

Nachdem ich mich wieder abreagiert habe, nun zurück zum Thema. Wir werden nicht jünger, soviel ist sicher – graue Haare, knirschende Knie, knackende Rücken, Landkarte im Gesicht. Aber unsere Mopeds bringen uns ein Stück unserer Jugend zurück. Und das sogar viel effektiver, als hyperpotente Supersportler. Oder starke Naked-Bikes. Denn viel Leistung macht nicht nur schnell sondern auch faul. Mit 100 PS unterm Hintern gibt man am Scheitelpunkt nämlich eher weniger als mehr Gas. Da zieht man erst auf, wenn die Kiste wieder in der Senkrechten steht, keine Kiesel auf der Straße liegen und die auch nicht feucht ist. Irgendwann wird dann leider auch die Ideallinie nur noch etwas, das man vom Hörensagen kennt. Aber nicht mit unseren Prachtstücken aus jahrzehntelanger DDR Produktion. Plötzlich ist man wieder achtzehn auf dem Weg nach Kliestow oder Markendorf. Dreieinhalb PS, Windschattenkämpfe, Ideallinie, lieber tot als Schwung verlieren. Alles wieder da. Jede zügig abgefahrene Hausstrecke fühlt sich an, als hätte man die Weltmeisterschaft im Sack. Denn um wirklich zügig zu fahren, darf man sich keinen Fehler erlauben. Drehzahl, Linienwahl, Bremspunkt, Ansgasgehen, alles muss perfekt passen, sonst ist der Klausn neben einem. Und es gibt keine überflüssigen PS um Fahrfehler wiedergutzumachen.

Die Grüne:
Vom Feeling her steht die Simson S51 für mich auf Platz eins. Neben all den aufgelisteten Dingen, die man nicht versieben darf, gibt einem der 4 Gang Motor nie ein exaktes Zeichen, wann es besser wäre, in den nächsthöheren Gang zu schalten. Das ist deshalb komisch weil der gleiche Motor auch in der SR50 verbaut ist. Zudem muss man permanent mit der miserablen Federgabel kämpfen, die nicht nur schlecht anspricht, sondern auch extrem unterdämpft ist. Die ständige Fahrwerksunruhe auf welligem Asphalt zu kompensieren, ist eine Mörderaufgabe und fordert volle Konzentration. Wer mit der S51 schnell ist, kann nicht nur sehr gut fahren, sondern genießt auch den vollen Moped-Erlebnis-Cocktail. Mehr geht kaum noch. Erst recht nicht mit modernen Scootern.

Foto 2Simson S51, BJ 88, 3,7 PS bei ca. 6000 Upm, 2-Takt 4 Gang Motor mit 50 ccm, v-max nach GPS 64 km/h, Schmierung durch Bezin-Öl Gemisch (nach dem Tanken ein Schluck Öl in den Tank kippen)

Tuxie:
Das Konzept und das biedere DDR Design der Simson SR50 kann man ein bissl mit einer 1200er-Bandit vergleichen. Fährt. Transportiert. Tourt. Will nie schnell. Tut was man ihr sagt. „Harry, fahr schon mal den Wagen vor.“ Genau so kommt er auch rüber. Der Roller ist der optimale Begleiter für Menschen, die weder Sound noch Action oder eine super Optik suchen. Sie offeriert die komfortabelste Fahrwerksabstimmung, den Motor mit dem fieseligsten Lauf und dem besten Soziusplatz. Leider aber auch ein gewöhnungsbedürftiges, kippeliges Lenkverhalten durch die kleinen Räder. Auf Tuxie fühlt man sich meist so alt, wie man auch ist. Nix mit Rennen oder Bergsteigen. Fehlt nur noch die serienmäßige Halte-Kugel für kleine Anhänger. Grund dafür ist die phlegmatisch wirkende Übersetzung und die kleinen Räder die einem ständig das Gefühl geben, einen Stationärmotor oder einen Notstromdiesel Gassi zu führen. Im Alltag kein Problem. Super fürs touristische Rumgebummel und den Stadtbetrieb. Aber dramatisch, wenn es darum geht, sich schnell zu fühlen.

Foto 3Den Getränkehalter habe ich montiert um im Stau auf dem Nachhauseweg ein Feierabendbier
trinken zu können. Das spart Zeit und erhöht die Schlagzahl.

Fietche
Es ist ein bisschen wie der Bergsteiger-Vergleich: Drei Männer stehen auf demselben Gipfel. Der eine ist blind (Barti), der andere lahm (Klausn) und der letzte ein durchtrainierter 20-Jähriger (Austi). Obwohl alle die gleiche Route geklettert sind, bedeutet es für jeden etwas anderes, den Gipfel erreicht zu haben. Die Schwalbe ist definitiv am kultigsten von den dreien und wird auch dieses Jahr der ultimative Blickfang werden. Mit dem mächtigen Motor steht der Sieger bei jedem Rennen schon vorher fest. Sie bietet die höchste Sitzposition, den besten Wetterschutz, das skurrilste Design und die auffälligste Farbe. Allerdings hat sie auch die größte Flatterneigung am Lenker, die kleinste Zulademöglichkeit, die veraltetste (Schwingen)Fahrwerktechnik und ein höchst unangenehmes Schlingergefühl im Vorderrad beim Bremsen in Schräglage. Von der Außenwirkung und vom Selbstverständnis her, war und ist die Schwalbe für mich immer noch die Margot Honecker unter den DDR Mopeds.

Foto 1

Meine Schwalbe zu Jugendzeiten war blau mit rostig braunen Applikationen verfeinert. Berühmt wurde sie in ganz Frankfurt Oder durch den mit Unmengen gelbem Panzertape fixierten Auspuff. Tragende Teile wurden häufig mit Pflaster nachhaltig befestigt. Zugegebenermaßen hat Fietje mit meiner Jugendsünde nicht viel gemeinsam. Unvergesslich das Gesicht meiner armen Mutter, als mir der Benzinhahn auf dem Hof abgefallen ist.

Am Start

Ich habe lange überlegt, ob ich den etwas angestaubten Blog hier mal wieder aus der Versenkung holen soll, denn schließlich habe ich hier bisher immer ein Blogbrett von totalen Kracherurlauben gefahren, und auch Thomas U. aus B. hatte hier seine Gastbeiträge aus New York beigesteuert. Wie soll ich dann also hier von einem total schnöden Urlaub an der Mosel in Deutschland bloggen? Selbst wenn ich mir die Sinnfrage beantworten kann, habe ich die Befürchtung, dass das irgendwann ziemlich anstrengend wird und früher oder später in richtiger Arbeit ausartet. Naja, die Sinnfrage ist deshalb schnell beantwortet, weil der Schinken hier „Bartisroadtrip“ heißt und das genau das angesagte Ding der nächsten 7 Tage sein wird. Roadtrip. Zwar deutet die URL nicht gerade darauf hin, dass hier auch so Krauturlaube durch Good Old Germany verhackstückt werden aber es kann nicht immer die grüne Wiese sein auf der man bloggt und deshalb stelle ich mich gerne der Herausforderung. Worauf will der Mann hinaus? Naja, das ist ganz einfach. Vor zwei Jahren, sind Austi (Simson Schwalbe) und ich (Simson S51) aus einer Laune heraus von Bonn nach Berlin mit unseren zwei Mopeds gefahren. Zwei stinkende Gefährte, die älter waren als wir selbst. Letztes Jahr stieß Klausn dazu und die Route führte von Bonn über Koblenz und Traben-Trarbach bis nach Bernkastel-Kües, immer an Rhein und Mosel entlang und mit einem Rad im Wasser. Als Klausn mit seinem mongolisch stämmigen Fahrstil den Motor seiner geliehenen Schwalbe mit einem Kolbenfresser für wahrscheinlich immer ins Jenseits beförderte, war die Tour erstmal vorbei.

Unbenannt

Dieses Jahr wollen wir an genau diesem Punkt von vorne beginnen und die Tour bis nach Trier und wieder zurück nach Bonn fahren und die Mosel „endlich bezwingen“ wie Austi sagte. Eben so wie wir uns das letztes Jahr gedacht hatten. Diejenigen, die an dieser Stelle aussteigen weil das zu öde ist, Mopedkram und so, kann ich total verstehen, ich würde das wahrscheinlich genauso machen.

Gut, nachdem jetzt hier nur noch eine Handvoll Leute mitlesen und wir quasi unter uns sind, kann ich endlich die wirklich wichtigen Dinge angehen, nämlich warum wir den ganzen Scheiß machen. Im Grunde geht es um Abenteuer. Es geht um das Ding an sich um es mit Kant auszudrücken. Es geht darum, etwas zu schaffen was man nicht beeinflussen kann. Wenn man mit so alten Kisten unterwegs ist, und sei es nur zum Bäcker um die Ecke, fährt immer das Gefühl mit, dass jeden Moment irgendetwas kaputt gehen kann und man dann erst mal gestrandet ist. Zwar sind die Dinger eigentlich in einem recht guten und gepflegten Zustand, aber bei 30 Jahre alten Mopeds kann eben immer was abfallen und dann ist guter Rat teuer oder eben Improvisationstalent gefragt. Hauptfeldwebel Höhn hat immer gesagt, wenn du etwas nicht mit Panzertape reparieren kannst, dann liegt das daran, dass du zu wenig Panzertape genommen hast. Und es geht natürlich darum mit guten Freunden unterwegs zu sein, nüchtern oder breit, und hotelzimmerzertrümmernd durch die Lande zu marodieren und während der Tour nicht zu duschen, sich nicht zu rasieren und sich grunzend statt mit Antifaltencreme mit 2-Takt-Öl einzureiben und sich nach allen Regeln der Kunst ungesund zu ernähren. Und wenn mir Leute erzählen wollen, dass das Scheiße ist mit Mopeds, und dass man so was, wenn schon, dann mit richtigen Motorrädern machen muss, dann haben die den Sinn davon nicht kapiert. Man darf das nämlich nicht immer alles miteinander verrühren. Im Grunde ist es nämlich keine Kunst mit einem 1200er Prollofen die ganze Strecke an einem Vormittag abzureißen. Das kann jeder Depp. Aber es hat eben nichts aber auch gar nichts miteinander zu tun. It takes one, to catch one wie der Engländer sagt. Aber wir sollten nicht blöd sein. Wenn wir der Sache nicht noch andere Inhalte geben, dann kann das ganz schnell wieder in sich zusammenfallen, was nicht so schlimm wäre, was wahrscheinlich sowieso irgendwann passiert, aber dann möchte ich, dass wir uns irgendwann daran erinnern und sagen können, dass wir mit unserer Steinzeittechnik den weiten Weg zurückgelegt haben oder von mir aus auch auf der Hälfte liegengeblieben sind und dabei Spaß hatten und das toll war. So siehts aus. Und deshalb fahren wir in das Herz der Finsternis und gehen immer schön in Schweinedorfkneipen mit Lichtorgel und Güllebauern und allem Scheiß und halten da die Fahnen hoch. Und wer meckert bleibt zu Hause.