Es fing an zu schlingern, erst ein bisschen, dann richtig und dann fand ich mich im Graben wieder. Ich zitterte. Eigentlich war ich nicht gläubig, ich betete erst, wenn es brenzlig wurde und das war so ein Moment. Ich setzte mich, rauchte eine und guckte mir an, was passiert war, während ich an den Muttimodus einer Bekannten dachte, mit der ich vor einigen Tagen noch geschrieben hatte. Immer schön aufpassen beim Haken schlagen und durch Lücken quetschen, hatte sie geschrieben. Naja, das halbe Hinterrad hatte seine Speichen verloren, wie es aussah. Bis zum nächsten Dorf war schieben angesagt, das waren 4 lange Kilometer, denn das Rad verkantete sich ständig, es hing ja nur noch an den 12 verbliebenden Speichen. Nach einer Stunde erreichte ich verschwitzt die nächste Werkstatt und zeigte auf das Hinterrad. Einer der Mechaniker kam, sah und zuckte mit den Schultern. Das dauert, das geht heute nicht, du siehst ja was hier los ist, sagte er. Ja nun, antwortete ich, weiter komme ich nicht. Ich auch nicht sagte er, das Einspeichen ist eine Schweinearbeit, das dauert und hier müssen noch andere Sachen dringend gemacht werden. Dann ging er und ich guckte einen anderen Mechaniker an und der sah auch ratlos aus. Ich baute meine Gepäckkonstruktion ab, suchte einen 19er Schlüssel und fing an das Rad auszubauen. Ich hatte mit Widerstand gerechnet aber das große Gewitter blieb aus. Der Mann kam wieder, sah aber nicht verärgert aus und nickte mir stattdessen aufmunternd zu. Dann nahm ich einen Schraubenzieher, drückte ihn ins Ventil, ließ die Luft aus dem Reifen und fragte nach einem Montiereisen. Einer der Mechaniker machte mir den Mantel von der Felge und gab mir den Kram zurück. Dann fing ich an, die Speichenreste samt Nippel raus zu friemeln. Anschließend ging ich wieder zu ihm und fragte nach Speichen. Es war eigentlich genau so wie beim Fahrrad aber das lag schon eine Weile zurück und ich musste erst überlegen wie die Kreuzung aussehen musste und die Speichen beim Motorrad ließen sich nicht biegen, das machte es noch schwieriger. Nach etwa 10 Speichen fragte ich, ob das so richtig ist. Er betrachtete mein Kunstwerk und guckte wie auf etwas, das der Hund vor die Tür gelegt hatte. Dann rief er seinen Stift und der machte den Rest, eigentlich fing er noch mal ganz von vorne an. Er steckte zuerst alle Speichen in die Nabe und fädelte die anderen Enden in die Felge. Hier, sagte er. Aber einbauen musst du alles wieder selber. Ich beugte mich von der rechten Seite aus über das Moped, versuchte den Gang herauszunehmen, verlor das Gleichgewicht, fiel nach vorne über und kippte samt Moped um. Bei der Gelegenheit ging auch gleich der Spiegel zu Bruch. Sie guckten kurz, ob ich noch zappelte und machten ungestört mit ihrem Kram weiter. Es gibt Tage, dachte ich, da bleibt man besser im Bett.
Die Tour von Nha Trang bis Dalat war ansonsten wirklich schön, auch wenn der ganze Tag insgesamt ganz schön bitter schmeckte, dachte ich, während ich einen völlig überfüllten Pub betrat. Ist nix mehr frei, sagte ein Kellner, der mich beobachtete, als ich mich umsah. Höchstens irgendwo dazusetzen. Dazusetzen? Ist doch Scheiße, murmelte ich. Er lief zu einem der großen Tische an dem zwei Kerle und drei Frauen saßen. Ich setzte mich dazu. Woher kommst du, fragte der eine. Holland antwortete ich. Und was machst du hier? Nun ja, ich habe mir in Hanoi ne Karre gekauft und fahre bis Saigon. Er verlor sofort das Interesse an dieser Unterhaltung. Nicht aber die eine Frau, sie hieß Thao und fragte immer weiter. Irgendwann wechselte sie mit der Frau rechts von mir die Plätze, damit wir uns besser unterhalten konnten. Und was macht ihr heute noch so? Weiß nicht, sagte sie, sieht ein bisschen nach Party aus heute. Club vielleicht. Club, fragte ich skeptisch. Na klar, was denn sonst? Oder gibt’s bei euch sowas nicht? Doch, doch, ich hätte nur nicht erwartet, dass. Ich brach ab. Ich hatte bisher nur Güllebauern mit Gummistiefeln hier rumlaufen sehen und wollte nicht fragen, ob die da dann auch hingehen. Magst du mitkommen, fragte sie schließlich nach dem fünften Bier. Nee, ich bin durch, ich geh lieber nach Hause, lallte ich. Ich konnte es nicht fassen. Hatte ich wirklich gerade gesagt, ich gehe nach Hause? Nagut, sagte ich. Ist das denn weit? Nen bissl, sagte sie, wir teilen uns ein Taxi. Auf der Fahrt hielt sich Thao, die hinten in der Mitte sitzen musste, an meinem Bein fest. Das kann ja noch heiter werden, dachte ich.
Als wir den Club betraten, erinnerte mich das irgendwie an die Bars meiner Jugend. Die Grotte und andere. Nur, dass es hier viel dunkler und brechend voll war, obwohl es erst gegen 10 Uhr abends war. Es hämmerte irgend ein Techno Pop Sound mit vietnamesischen Gesang aus den Boxen und man konnte sogar Essen bestellen. Komischer Club, dachte ich. Irgendwann verlor ich die anderen und ging vor die Tür. Es waren zwei Türen wie in einer Art Schleuse. Als ich aufgeraucht hatte und zurück gehen wollte, kam mir Thao entgegen. Barti, da bist du ja, sie breitete die Arme aus und umschlang meinen Hals, ich hob sie hoch und humpelte mit ihr durch die erste Clubtür, es war sehr dunkel und ich fand die Klinke an der zweiten, gepolsterten Tür nicht. Ich setzte sie ab aber sie ließ meinen Hals nicht los und kicherte. Thao, las los! Ach Barti, du bist doch echt…was weiß ich. Schon gut Thao, sagte ich, während ich weiter die Klinke suchte. Schließlich nahm ich mein Feuerzeug zu Hilfe, während sie von hinten meinen Bauch anfasste und mich befummelte. Überall fett, aber auch Muskeln, sie kicherte. Thao, hör auf mit dem Scheiß, wir sind hier nicht auf dem Viehmarkt, sagte ich. Ich fand die Klinke und machte die Tür auf. Heiße Luft und Geschrei und über allem fette Gummistiefelbeats schlugen mir ins Gesicht. Wir kamen in dem Gedränge so langsam voran, dass alles unfassbar weit weg schien. Hier war eindeutig Party und ich merkte, wie die Erinnerung von meinem Beinahecrash aus mir herausgedrückt wurde, wie Zahnpasta aus der Tube. Mit jedem Schritt durch das Gewusel bekam ich bessere Laune. Es war Party und ich war mittendrin, sogar mit Frau an der Hand, dachte ich, auch wenn es Thao war. Egal, dachte ich, wenn Party ist, dann darf man nicht wählerisch sein und das dachte sie wohl auch, als sie sich vordrängelte und meine andere Hand nahm und mich zu den Anderen auf die Tanzfläche zog. Ich wusste nicht, wie ich mich zu dem Gummistiefelbeat bewegen sollte und wackelte nur etwas hin und her. Es muss ziemlich dämlich ausgesehen haben. Gegen zwölf hatte sie Mitleid mit mir und wir gingen an die Bar. Soll ich dich noch nach Hause bringen, fragte sie. Nein, nein, ich finde den Weg schon. Nicht du, sagte sie. Ob du mich nach Hause bringst. Achso, ist so laut hier, sagte ich und grinste. Jetzt? Ja klar, wann denn sonst? Dann gingen wir zu ihr.