Tag 18

Ein fantastisches Land mit einer großartigen Kultur, dachte ich, als ich meinen Kram für den Flug zusammen sammelte und die Dreckwäsche auf die Vakuumbeutel verteilte. Ich mochte die Vielseitigkeit, die Hilfsbereitschaft, den Pragmatismus, mochte es zu sehen, wie das Land auf dem Weg zum westlichen Standard ist, die Landschaften, die Flora, die Mopedkultur, die Rücksicht, die winkenden Kinder, die interessierten Menschen, die ich getroffen hatte und den Kaffee, der der Beste der Welt für mich war. Eigentlich mochte ich auch meine kleine Honda, die keine war, auch wenn ich das nicht immer so zeigen konnte. Was ich nicht mochte, war der Dreck und der Müll, das ewige gehupe, die Geisterfahrer und das Essen, denn ich konnte mich nur in Reichweite einer Toilette ernähren. Am Ende konnte ich, und darauf war ich stolz, sogar die Gerüche unterscheiden und wusste, ob es Müll ist, den sie überall verbrannten oder eine Küche am Strassenrand, in der sie was kochten, daran hatte ich mich gewöhnt aber von mögen war ich, auch da muss man ehrlich sein, dachte ich, weit entfernt und erinnerte mich an den gestrigen Tag, als ich zusammen mit meinen Noroviren einen 6h Trip zurück gelegt hatte und alle 30 Minuten jeden Schluck, den ich trank wieder auskotzte. Schade, hatte ich gedacht, als ein großer Schwung in meinen Helm ging, schade, eine halbe Sekunde später wäre besser gewesen aber auch das hatte sich jetzt erledigt, denn einerseits war ich nach 12 Stunden Schlaf wieder fit und andererseits hatte ich gleich nach dem Aufstehen meine kleine Honda, die keine war, bei einem Händler für 300 Dollar verkauft. Mit Teddy.

Abends ist der Akku leer aber bis er leer ist, ist das ein weg, der gesäumt ist von Schwierigkeiten, dachte ich nun, als ich mir den letzten Satz sauberer Sachen für morgen weg legte und mich fragte, ob ich noch mal nach Südostasien reisen würde. Zum Glück, liefen die letzten 3 Wochen, abgesehen von einer derben Lebensmittelvergiftung und einigen beinahe Crashs, halbwegs ohne Katastrophen ab, dachte ich und packte noch meinen Pass dazu. Schwer verwirrt am Morgen und abends auch nicht klug, hatte eine Freundin mal gesagt und das passte irgendwie, denn eine Antwort auf die Frage, ob ich sowas noch mal machen würde, hatte ich nicht. Es hatte mir auch seit langer Zeit mal wieder Spaß gemacht, dieses Internet Logbuch zu führen, in dem, wie es sich für ein ordentliches Logbuch gehörte, ordentlich Seemannsgarn drin steckte. Ich hatte mir aus der Schule den Satz von Aristoteles gemerkt, der schrieb, dass der Geschichtsschreiber davon erzählt wie es war aber der Tragödienschreiber davon wie es sein könnte. Und so hätte es eben auch sein können.

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Warum nur, dachte ich, möchten alle meinen Teddy anfassen. Ich bin auch flauschig.

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Deliveroo – Fresh Food Straight to Your Door

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Bye Bye kleine Honda. Bye Bye Vietnam.

Tag 16

Wo ist eigentlich die Gitarre hin, dachte ich auf der Strecke zwischen Dalat und Mui Ne. Es war der schönste Streckenabschnitt bisher gewesen, da war ich mir sicher. Die Straßen klein und kurvig und auch landschaftlich hatte das Drumherum ordentlich was her gemacht, wie ich fand. Für diese Gedanken war aber nun keine Zeit, denn zusammen mit der Gitarre musste auch meine Jacke irgendwo rum liegen, ich wusste ja nicht, wann ich den ganzen Gepäckaufbau verloren hatte.  Der Anblick des Mopeds, samt Rucksack, Gitarre und mir sah ohnehin grotesk aus. Eigentlich ist es gar nicht so schlimm, dachte ich, sich von alten Sachen zu trennen, aber die Gitarre war noch nicht so alt und die Jacke auch nicht. Am Horizont tauchte plötzlich wie aus dem Nichts in der Mitte der Straße etwas auf aber ich konnte noch nicht erkennen, was. Die Straße spiegelte sich in der Hitze und beim Näherkommen sah ich, wie jemand eine 180 Grad Wende hinlegte und sich aus dem Staub machte, dann erkannte ich auch meine Gitarre aber da war keine Jacke und ich überlegte, was ich jetzt tun sollte. Die Gitarre, an der mir inzwischen viel lag, wird nach ihrem Abgang bei 85 sicher einen noch schlechteren Klang haben als vorher, also entschied ich mich für den Typen, der nun vor mir flüchtete. Wir lieferten uns ein Rennen über viele Kilometer auf der buckeligen Straße. Der kennt hier jede Kurve, er lebt ja hier, da ist er im Vorteil und ich war in diesem Moment sehr dankbar, dass ich hinter Hanoi meine Handyhalterung verloren hatte. Zum Glück ohne Handy. Damit war ich jetzt leichter und auch noch windschnittiger, denn der linke Spiegel hatte es ja auch nicht bis nach Dalat geschafft. Fehlende Ortskenntnis kann man eigentlich nur durch mehr Risiko ausgleichen und immer schön weiter am Gas bleiben und so wenig wie möglich bremsen, gerade in den Kurven, dachte ich, nur keinen Schwung verlieren, dachte ich und arbeitete mich immer weiter an den Schurken ran. Jetzt nur noch 100m, ein Fehler und dann hab ich dich, so und jetzt ein bissl Stützgas, anbremsen, rum und immer schön weiter am Gas bleiben, und so und so, und während ich mir gerade versuchte vorzustellen, dass wir gleich Faustkämpfe um meine Jacke aufführen würden und während ich mich Meter um Meter weiter an ihn ran arbeitete, gab er plötzlich auf und hielt an. Schöne Jacke hast du da, du kleiner Gauner. Ja, sagte er. Los, zieh die aus, du siehst ja total lächerlich damit aus, willst wohl noch rein wachsen, was? Er hatte wohl schon geahnt, dass es schwierig werden würde und gab sie mir kampflos zurück. Dann sammelte ich den Rest meiner Gitarre ein.

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Ohne Naviapp würde ich noch immer nach dem Ausgang suchen

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Die Spiegel sehen ja besser aus, als ich dachte.

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Tag 14

Es fing an zu schlingern, erst ein bisschen, dann richtig und dann fand ich mich im Graben wieder. Ich zitterte. Eigentlich war ich nicht gläubig, ich betete erst, wenn es brenzlig wurde und das war so ein Moment. Ich setzte mich, rauchte eine und guckte mir an, was passiert war, während ich an den Muttimodus einer Bekannten dachte, mit der ich vor einigen Tagen noch geschrieben hatte. Immer schön aufpassen beim Haken schlagen und durch Lücken quetschen, hatte sie geschrieben. Naja, das halbe Hinterrad hatte seine Speichen verloren, wie es aussah. Bis zum nächsten Dorf war schieben angesagt, das waren 4 lange Kilometer, denn das Rad verkantete sich ständig, es hing ja nur noch an den 12 verbliebenden Speichen. Nach einer Stunde erreichte ich verschwitzt die nächste Werkstatt und zeigte auf das Hinterrad. Einer der Mechaniker kam, sah und zuckte mit den Schultern. Das dauert, das geht heute nicht, du siehst ja was hier los ist, sagte er. Ja nun, antwortete ich, weiter komme ich nicht. Ich auch nicht sagte er, das Einspeichen ist eine Schweinearbeit, das dauert und hier müssen noch andere Sachen dringend gemacht werden. Dann ging er und ich guckte einen anderen Mechaniker an und der sah auch ratlos aus. Ich baute meine Gepäckkonstruktion ab, suchte einen 19er Schlüssel und fing an das Rad auszubauen. Ich hatte mit Widerstand gerechnet aber das große Gewitter blieb aus. Der Mann kam wieder, sah aber nicht verärgert aus und nickte mir stattdessen aufmunternd zu. Dann nahm ich einen Schraubenzieher, drückte ihn ins Ventil, ließ die Luft aus dem Reifen und fragte nach einem Montiereisen. Einer der Mechaniker machte mir den Mantel von der Felge und gab mir den Kram zurück. Dann fing ich an, die Speichenreste samt Nippel raus zu friemeln. Anschließend ging ich wieder zu ihm und fragte nach Speichen. Es war eigentlich genau so wie beim Fahrrad aber das lag schon eine Weile zurück und ich musste erst überlegen wie die Kreuzung aussehen musste und die Speichen beim Motorrad ließen sich nicht biegen, das machte es noch schwieriger. Nach etwa 10 Speichen fragte ich, ob das so richtig ist. Er betrachtete mein Kunstwerk und guckte wie auf etwas, das der Hund vor die Tür gelegt hatte. Dann rief er seinen Stift und der machte den Rest, eigentlich fing er noch mal ganz von vorne an. Er steckte zuerst alle Speichen in die Nabe und fädelte die anderen Enden in die Felge. Hier, sagte er. Aber einbauen musst du alles wieder selber. Ich beugte mich von der rechten Seite aus über das Moped, versuchte den Gang herauszunehmen, verlor das Gleichgewicht, fiel nach vorne über und kippte samt Moped um. Bei der Gelegenheit ging auch gleich der Spiegel zu Bruch. Sie guckten kurz, ob ich noch zappelte und machten ungestört mit ihrem Kram weiter. Es gibt Tage, dachte ich, da bleibt man besser im Bett.

Die Tour von Nha Trang bis Dalat war ansonsten wirklich schön, auch wenn der ganze Tag insgesamt ganz schön bitter schmeckte, dachte ich, während ich einen völlig überfüllten Pub betrat. Ist nix mehr frei, sagte ein Kellner, der mich beobachtete, als ich mich umsah. Höchstens irgendwo dazusetzen. Dazusetzen? Ist doch Scheiße, murmelte ich. Er lief zu einem der großen Tische an dem zwei Kerle und drei Frauen saßen. Ich setzte mich dazu. Woher kommst du, fragte der eine. Holland antwortete ich. Und was machst du hier? Nun ja, ich habe mir in Hanoi ne Karre gekauft und fahre bis Saigon. Er verlor sofort das Interesse an dieser Unterhaltung. Nicht aber die eine Frau, sie hieß Thao und fragte immer weiter. Irgendwann wechselte sie mit der Frau rechts von mir die Plätze, damit wir uns besser unterhalten konnten. Und was macht ihr heute noch so? Weiß nicht, sagte sie, sieht ein bisschen nach Party aus heute. Club vielleicht. Club, fragte ich skeptisch. Na klar, was denn sonst? Oder gibt’s bei euch sowas nicht? Doch, doch, ich hätte nur nicht erwartet, dass. Ich brach ab. Ich hatte bisher nur Güllebauern mit Gummistiefeln hier rumlaufen sehen und wollte nicht fragen, ob die da dann auch hingehen. Magst du mitkommen, fragte sie schließlich nach dem fünften Bier. Nee, ich bin durch, ich geh lieber nach Hause, lallte ich. Ich konnte es nicht fassen. Hatte ich wirklich gerade gesagt, ich gehe nach Hause? Nagut, sagte ich. Ist das denn weit? Nen bissl, sagte sie, wir teilen uns ein Taxi. Auf der Fahrt hielt sich Thao, die hinten in der Mitte sitzen musste, an meinem Bein fest. Das kann ja noch heiter werden, dachte ich.

Als wir den Club betraten, erinnerte mich das irgendwie an die Bars meiner Jugend. Die Grotte und andere. Nur, dass es hier viel dunkler und brechend voll war, obwohl es erst gegen 10 Uhr abends war. Es hämmerte irgend ein Techno Pop Sound mit vietnamesischen Gesang aus den Boxen und man konnte sogar Essen bestellen. Komischer Club, dachte ich. Irgendwann verlor ich die anderen und ging vor die Tür. Es waren zwei Türen wie in einer Art Schleuse. Als ich aufgeraucht hatte und zurück gehen wollte, kam mir Thao entgegen. Barti, da bist du ja, sie breitete die Arme aus und umschlang meinen Hals, ich hob sie hoch und humpelte mit ihr durch die erste Clubtür, es war sehr dunkel und ich fand die Klinke an der zweiten, gepolsterten Tür nicht. Ich setzte sie ab aber sie ließ meinen Hals nicht los und kicherte. Thao, las los! Ach Barti, du bist doch echt…was weiß ich. Schon gut Thao, sagte ich, während ich weiter die Klinke suchte. Schließlich nahm ich mein Feuerzeug zu Hilfe, während sie von hinten meinen Bauch anfasste und mich befummelte. Überall fett, aber auch Muskeln, sie kicherte. Thao, hör auf mit dem Scheiß, wir sind hier nicht auf dem Viehmarkt, sagte ich. Ich fand die Klinke und machte die Tür auf. Heiße Luft und Geschrei und über allem fette Gummistiefelbeats schlugen mir ins Gesicht. Wir kamen in dem Gedränge so langsam voran, dass alles unfassbar weit weg schien. Hier war eindeutig Party und ich merkte, wie die Erinnerung von meinem Beinahecrash aus mir herausgedrückt wurde, wie Zahnpasta aus der Tube. Mit jedem Schritt durch das Gewusel bekam ich bessere Laune. Es war Party und ich war mittendrin, sogar mit Frau an der Hand, dachte ich, auch wenn es Thao war. Egal, dachte ich, wenn Party ist, dann darf man nicht wählerisch sein und das dachte sie wohl auch, als sie sich vordrängelte und meine andere Hand nahm und mich zu den Anderen auf die Tanzfläche zog. Ich wusste nicht, wie ich mich zu dem Gummistiefelbeat bewegen sollte und wackelte nur etwas hin und her. Es muss ziemlich dämlich ausgesehen haben. Gegen zwölf hatte sie Mitleid mit mir und wir gingen an die Bar. Soll ich dich noch nach Hause bringen, fragte sie. Nein, nein, ich finde den Weg schon. Nicht du, sagte sie. Ob du mich nach Hause bringst. Achso, ist so laut hier, sagte ich und grinste. Jetzt? Ja klar, wann denn sonst? Dann gingen wir zu ihr.

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Tag 13

Russen sind ja praktisch auch Menschen, dachte ich, als ich durch die Innenstadt von Nha Trang schlenderte. Sie sind viele, eigentlich waren sie überall, die Geschäfte hatten sogar die Reklametafeln ins Kyrillische umgelabelt, wie mir in diesem Moment auffiel. Sie riefen laut, spuckten auf die Straße, warfen den Müll, den sie in den Händen hatten, da, wo sie gerade standen, auf die Straße, schaufelten sich die Teller in den all you can eat Läden voll aber aßen nicht auf und über allem lag eine leichte Alkoholfahne. Die Unmengen zugedröhnter Scheißrussen, wie ich sie in Gedanken nannte, machen mich noch wahnsinnig, dachte ich, ich muss zusehen, dass ich hier schnell wegkomme. Ich betrat einen Musikladen und fühlte mich plötzlich erleichtert. Es war quasi eine Flucht, dachte ich, während ich mich in dem kleinen Laden umsah. Dort gab es alles, was in einen anständigen Musikladen reingehörte. Gitarren, Ukulelen, Keyboards, Drums und Blasinstrumente aber von denen verstand ich nicht viel und wusste im Grunde nur, dass es sie gab. Ich schaute mich einige Minuten lang um und als ich mich unbeobachtet fühlte, latschte ich volle Kanone auf eine Hi-Hat und erschrak mich selbst in diesem Augenblick von dem lauten Geräusch, denn das hatte ordentlich gerumst. Nun kam auch der Verkäufer aus seiner Deckung und fragte, ob ich noch alle beisammen hätte. Ich suche eine Gitarre, sagte ich verlegen. Gitarren sind da drüben, antwortete er verärgert und gab mir nacheinander einige zum Probespielen in die Hand. Das wird ja immer schlimmer dachte ich, eigentlich wollte ich nur von dem Fauxpas mit den Drums ablenken und wünschte mir, ich hätte lieber einfach leise auf den Toms rumgeklopft, während ich eine nach der anderen erst stimmte und anschließend das E-Rriff von Personal Jesus anschlug. Und jetzt, wo ich seine Beratungsleistung ausgiebig und wider Willen in Anspruch nahm, werde ich eine kaufen müssen, dachte ich und versuchte in Gedanken auszurechnen, wie viel die einzelnen Gitarren in Euro kosteten. Vielleicht sollte ich lieber mal das Intro von Nothing else matters spielen, dann wirft er mich vielleicht raus, dachte ich, denn das war die Todsünde überhaupt. In allen Musikläden der Welt gab es ein Metallica verbot, weil es schon zu Todesfällen durch Ohrenkrebs unter den Verkäufern gekommen ist. Die klingen alle schön, aber haben sie auch eine in meinem Budget, fragte ich und kramte 20 Mäuse aus der Hosentasche. Er guckte auf die Dollarscheine und nahm mir sofort die Gitarre, die ich gerade in der Hand hielt, weg. Er krabbelte hinter seine Theke und kramte eine unfassbar hässliche Klampfe hervor. Die hier, sagte er und reichte sie mir. Es war ein scheußliches Ding mit einem furchtbaren Klang und lausiger Verarbeitung. Ja gut, sagte ich, nehme ich, um der Sache ein schnelles Ende zu machen. Er steckte die Dollar in seine Hosentasche und fragte mich, ob ich noch eine Tüte wolle oder ob das so geht. Geht so, sagte ich und trat mit der Gitarre unter dem Arm aus dem Laden heraus auf die mit Russen überfüllte Straße. Jetzt bloß schnell aus Klein-Moskau weg, wie ich es in Gedanken nannte. Am besten zum Strand, da kann bis auf einen Sonnenbrand nicht viel schiefgehen.

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Tag 12

Der Motor fing erst an zu röhren und dann zu stottern und schließlich ging er ganz aus. Ich schraubte mit meinem mitgebrachten Zündkerzenschlüssel die Kerze raus und sie war weiß. Das ist nicht gut dachte ich, weiß heißt heiß und das passiert eigentlich immer dann, wenn das Gemisch zu mager ist, also zu viel Luft und zu wenig Benzin im Brennraum ankommt, ich drehte die Gemischeinstellschraube eine Umdrehung rein um es fetter zu machen und nachdem der Motor abgekühlt war, sprang das verdammte Ding auch wieder an. Der Motor drehte zwar nur noch bis 5000 Umdrehungen pro Minute aber es reichte um ins nächste Dorf zu humpeln. Wo ist denn hier mal ne Werkstatt, fragte ich den erstbesten Typ, den ich traf. Er zeigte mir ein paar hundert Meter weiter das Haus wo ich hin musste. Vertrauensvoll sah das hier alles nicht aus, fand ich. Ich beschrieb dem Werkstatthäuptling mein Problem so gut es ging und er schüttelte mit dem Kopf. Dann ging er und ich rief, Ej, Moment mal, du kannst doch nicht einfach so abhauen. Er guckte sich um, wie der Typ, der in der Sesamstraße die Buchstaben verkauft und kam wieder einen Schritt auf mich zu. Bitte, sagte ich. Er hob drei Finger und sah sich wieder um, was wohl so viel wie 300000 Dong heißen sollte. Oder vielleicht doch 3 Mio? Ich nickte und der Mechaniker fing an die Kabel und Schläuche abzuziehen und den Vergaser herauszuschrauben. Er redete und fluchte, während er das tat und so ging das munter in seinen Bart hinein und ich las mich davon berieseln, während ich ihm zuguckte und rauchte, es war angenehm nicht angesprochen zu werden und nicht antworten zu müssen. Aber irgendwie muss man sich den Leuten ja auch öffnen. Man darf sich nicht immer gleich angegriffen oder diskriminiert fühlen dachte ich, nur weil man ihre Sprache nicht spricht. Vielleicht wäre es wirklich mal gut Kontakt aufzunehmen, zu einem, der von ganz woanders her kommt und ganz woanders unterwegs ist, rauschte es mir kirchentagsgleich durch die Birne während ich die Kippe auf dem Boden austrat, eine Tätigkeit die mir, wie ich in den letzten Tagen gelernt hatte, umso mehr Spaß machte, je öfter ich in einer Werkstatt saß und rauchend beim Schrauben zusah. Ich stand auf, ging um das Motorrad rum, hockte mich hin und sah mir die krumme Vergasernadel an. Die sollte man vielleicht auch mal wechseln, sagte ich und er erwiderte, ja ja, kommt alles noch. Ich setzte mich wieder, hier werde ich wohl nicht gebraucht. Nach 30 Minuten war wieder alles zusammengebaut und er schickte mich auf eine Probefahrt. Ich gab ihm 400k Dong, verbeugte mich und fuhr weiter bis Nha Trang, einer Stadt an der Küste mit einem fantastischen Strand.

Auch mal was essen dachte ich, als ich nach dem Einchecken im Hotel durch die Straßen von Nha Trang lief, um die Gegend etwas zu erkunden. Das Hotel gehörte zur Sofitel Kette und da musste ich aus meiner Zeit als Businesskasper noch ordentlich Punkte auf dem Clubkonto gehabt haben. Wollen Sie die einlösen, fragte die Frau an der Rezeption? Wir haben in der 18ten noch eine Executive Suite mit zwei Zimmern, die können sie haben. Ich nickte und sie buchte mich um. Jetzt schaute ich gerade vor einem Restaurant in ein großes Aquarium und beobachtete die Hummer, es waren zwei, als mich plötzlich ein Mann ansprach. Wie heißen die beiden, fragte ich. Er dachte kurz nach. Jimmy und Johnny, sagte er daraufhin und grinste. Jimmy sah mich unterdessen mit seinen Stielaugen an , schnappte mit seinen Scheren nach mir und sah generell etwas bedrückt aus. Ist nicht dein Tag heute, was? Wie viel, fragte ich den Mann. 600000 Dong sagte er und ich nickte. Daneben stand ein großer Topf mit Kalamaris Ringen. Und noch was von den frittierten Vorhäuten bitte, sagte ich zu ihm und setzte mich an einen Tisch.

Es lagen inzwischen weniger Tage vor, als hinter mir. Sich dessen bewusst zu werden, machte mich etwas sentimental. Allerdings dachte ich auch mit Vorfreude an eine Konzertverabredung am übernächsten Sonntag in Berlin. Das hatte etwas ambivalentes, dem ich mich gerne hingab.

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Immer auf die Hände und den Kehlkopf gucken, hatte mir jemand gesagt. Super Hände.

Tag 11

Gibt’s ja nicht, dachte ich, während ich zu dem Platz ging, an dem ich gestern mein Motorrad abgestellt hatte. Die haben mir die Karre geklaut. Und das, obwohl ich es extra an der dreckigsten Ecke abgestellt hatte, die ich finden konnte. Es war vor einer Art Hütte, in der drei marode Typen auf dem Boden saßen und mit beiden Händen ganz tief in den Drogentopf gegriffen hatten, wie es den Anschein machte. Sie saßen jetzt am nächsten Morgen immer noch oder vielleicht auch schon wieder da und sahen noch genauso verstrahlt aus, wie in der Nacht zuvor. Wo ist mein Hobel ihr Arschlöcher, sagte ich zu ihnen.

Ich machte einen riesen Aufstand, warf mein Rucksack in die Ecke und fluchte rum. Dann zeigte ich mit dem Finger auf jeden einzelnen der drei, dann auf meine Augen und dann zu der leeren Stelle, auf der mein Moped stand. Ihr drei Flitzpiepen  wollt davon nix wissen, ja? Wart ihr alle zusammen mal kurz pissen und in der Zeit kam einer und hat die Karre mitgenommen, ja? Sie guckten verstört. Na gut, dachte ich, ihr wollt rumblödeln, das könnt ihr haben. Ich holte mein Handtuch aus dem Rucksack, breitete es aus und setzte mich zu ihnen an die Stelle wo tags zuvor mein Moped stand. Es ist immer gut zu wissen, wo sein Handtuch ist, dachte ich verstreut und sagte zu den Dreien, jetzt hört mal zu ihr kleinen Strolche, sitzt ihr schon die ganze Nacht hier oder schon wieder? Sie antworteten nicht aber redeten untereinander ihren vietnamesischen Kram. Dann reichte mir der eine, er hatte keine Zähne mehr, wie mir auffiel, eine selbstgebaute Zigarette. Ist nur nen Sticky, sagte er. Ich schüttelte den Kopf und kramte meine Schachtel raus. Ich habe selbst, sagte ich und hielt ihm meine Schachtel hin, sind besser. Du kannst das Vieh auf die Weide führen aber es nicht zum Essen zwingen dachte ich grimmig und dachte darüber nach, ob das ein Fehler war. Entweder Verbrüderung oder Angriff, dachte ich und entschied mich für Angriff. Ich rauchte und redete laut mit mir selbst und manchmal auch zu ihnen, während ich immer mal wieder lauter wurde und fluchte. Vielleicht sollte ich dann mal die Polizei rufen, sagte ich in ruhigem Ton, lächelte freundlich, wedelte mit meinem Handy und nickte dazu. Da lachten sie. Es war eine groteske Szene, ich der große böse Wolf und sie die kleinen Drogenschweinchen in ihren Häuschen aus Acidpapier, Hanfholz und Crackstein. Als ich überlegte, was jetzt zu tun sei, machten zwei der Schweinchen zu ihrem Kumpel eine wegschickende Handbewegung und der dritte wiederum stand auf, ging zwei Meter, dreht sich zu mir und machte mit dem Finger eine winkende Bewegung, als wenn er mich in sein Hexenhäuschen locken wollte. Ich folgte im zwei Schritte, dann zeigte er auf die Ausfahrt des Hotels. Ihr habt mich die ganze Zeit verarscht? Ihr kleinen Fertzen, dachte ich. Dann sammelte ich meinen Kram ein und ging nach unten und tatsächlich stand da der klapprige und dreckige Gaul samt Teddy. Hätte ich mal lieber gleich an der Rezeption danach gefragt. Meine Güte, dachte ich, und das am frühen Morgen. Nächstes Mal ziehe ich den Schlüssel ab, ihr Schurken.

Auf der Fahrt von Pleicu nach Buon ma Thout passierte nicht viel, es waren 100km Landstraße und noch mal 100km verdreckter Feldweg. Warum, dachte ich, gibt es hier eigentlich kein Benzin mit hoher Oktanzahl. Es muss ja kein Superplus sein aber 90 Oktan würden sich weit weniger schlimm anhören, denn der Motor klingelte und klopfte, als würde er gleich seine Pleul, Simmerringe und was weiß ich was da noch so für Eingeweide drin sind, aus dem Auspuff auskotzen.

Buon ma Thout ist die Hauptstadt des Kaffees. In einem Cafe erzählten mir eine Gruppe Vietnamesen, die mich auf den Teddy an meinem Moped angesprochen hatten, vom Krieg, ich wusste ja selbst nicht viel darüber und ich fand es sehr interessant. Mal trinken was noch so passiert.

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ganz schön dreckig, warum gibt es keinen Waschservice während der Fahrt? #dasnächstegroßeding

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Keine Beschwerden mehr über kaputte Straßen.

Tag 10

Als ich aufwachte, war es halb sechs Uhr morgens, also für meine Verhältnisse mitten in der Nacht, durch das Fenster schien gelbes Licht, Mopeds waren nicht zu hören, nur ein Zug und ganz in der Ferne und ganz leise. Ich brauchte einige Zeit um zu begreifen wo ich war und für einen kurzen Moment wünschte ich, ich wäre zu Hause. Dann schaute ich wieder auf das gelbe Licht an der Decke und war dann doch glücklich, hier zu sein.

Bis Hoi An war alles durchdacht, danach war alles leer. Die alten Sachen waren Vergangenheit und alles Neue war offen, keine Richtung, kein Plan. Das gefiel mir ganz gut. Ich fuhr nach dem Frühstück aus der Stadt raus und suchte aus dem Gefühl heraus nach Straßen, die nach Süden führten. Meine kleine Honda, die keine war, hatte langsam was von Herpes, dachte ich etwas albern, macht Spaß sie sich zu holen aber für jeden Tag würde ich dann doch lieber eher zur Vogelgrippe greifen. Gegen Mittag schaffte ich es noch eiernd ins nächste Dorf zu humpeln, das Landstrassen gebolze hatte die hintere Pelle aufgefressen und das vordere Radlager hatte es nun auch ganz hinter sich. Es verabschiedete sich beim Anbremsen an eine Kurve mit einem lauten Knall und es begann höllisch zu schlingern. Der örtliche Schrauber hatte alle Ersatzteile da und machte sich gleich eifrig ran. Er war gut, bei ihm saß jeder Handgriff, und in einer Geschwindigkeit, die in der Werkstattszene seinesgleichen suchte, löste er Achsmuttern, trieb die Reste des alten Lagers aus und das neue rein, wechselte die Gummies, justierte die Bremse und ölte zu guter Letzt noch die Kette. So sollte es sein dachte ich, kein ATU artiges Herrenmenschen getue sondern ehrliche, von der Pieke an gelernte Handarbeit.

Die Straßen führten mich bis Pleiku, eine große, hässliche, dreckige und sündige Stadt, weit im Landesinneren. Ich war kaputt von der langen Fahrt aber fuhr vom Hotel aus noch mal in die Innenstadt um was zu essen und ging danach alleine ins Kino und sah mir ein Film mit vielen Toten an. Am Ende war ich froh, dass wenigstens der Held überlebt hatte und mit diesem Gefühl der Erleichterung ging ich ins Bett.

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