Tag 3 Als ich aufwachte war es draußen schon hell. Ein Zug ratterte in einem Affenzahn vorbei und ich hatte das Gefühl er würde direkt durch mein Zimmer fahren. Ich stand verpeilt auf, schob die Vorhänge beiseite und schaute aus dem Fenster über die Bahnstrecke in das Treis-Kardener Nichts. Als ich gestern Abend aus dem Fenster sah, war das irgendwie voll so gute Nacht Fuchs, gute Nacht Hase mäßig. Heute am frühen Morgen sah das irgendwie alles ganz anders aus, als hätte jemand über Nacht die Kulisse ausgetauscht. Draußen war ein Wetter zum Halbgötterzeugen und die Bäume hielten ihre Blätter in den warmen Wind und die Blümelein auf der Wiese nickten mit dem Kopf dazu und der ganze andere komm-lieber-Mai-und-Mache-Mozart-Faschismus. Ich verdaddelte noch etwas die Zeit, packte meine Taschen um und ging schon mal runter zum Frühstück. Zwar etwas zu früh aber noch im Rahmen. Auf dem Weg die Treppe runter dachte ich ein wenig nach und kam zu dem Schluss, dass zu früh ja irgendwie die peinlichste Form der Unpünktlichkeit sei und als ich das noch nicht mal richtig zu ende gedacht hatte, sah ich auch schon den Chef. Obwohl es erst kurz nach halb Acht war und nicht um 8, drückte ein Auge zu und lotste mich zu einem riesigen Tisch in der Mitte des großen Raumes. Ich kann sie ja jetzt nicht wieder weg schicken, sagte er. Ab 8 gibts eigentlich erst Frühstück aber sie können jetzt schon mal anfangen. Kaffee oder Tee, fragte er mich und betonte beim Wort Kaffee die letzte Silbe. Sowas kannte ich bisher immer nur vom KuDamm. Irgendwann kamen auch die anderen beiden und wir schmiedeten den Plan für den Tag. Die Burg Eltz ist eine der wenigen komplett erhaltenen Burgen in der Moselregion und gestern hatten wir es nicht mehr dorthin geschafft. Wir konnten die Taschen im Hotel lassen und später auschecken, denn das war ein Problem das immer mitfuhr – wohin mit den Taschen? Die gängigste Lösung war, die Besichtigung einfach ausfallen zu lassen, aber nicht heute. Eigentlich waren es nur ca. 20 km bis dort hin aber wir schafften es in 85 km – mit 50 ccm eine Ewigkeit. Als wir ankamen war es 10:30 Uhr. In einer Stunde mussten wir unsere Klamotten geschnappt und aus dem Hotel raus sein. Wir handelten mit dem Parkplatzwächter und zahlten nur 2 € statt 6 €. Er bestand aber darauf, dass wir unsere Hobel in der Nähe seines Häuschens parkten. Der kennt seine Pappenheimer, dachte ich mir. Wenn er nicht da gewesen wäre, wären wir womöglich den 2 km Fußweg trotz Verbot bis zur Burg gefahren. Also ging es per pedes den steilen, asphaltierten Pfad herunter bis wir plötzlich von oben die Burg im Tal sehen konnten. Sie sah aus wie Spielzeug aus Lego oder so. Austi, der die Führung schon mal mitgemacht hatte, erzählte uns die besten Stories nach und so fanden wir einen super Kompromiss zwischen Ausfallen lassen und dem kompletten Touriprogramm – von 2 km Entfernung einen Blick drauf werfen war besser als nichts und fast so gut wie die volle Packung. Wir schauten uns das Gewusel da unten noch eine Weile an, sagten Sachen wie: „schön, schön“ und „nicht schlecht“, machten die obligatorischen Beweisfotos und latschten voller Freude, weil die Lauferei bald vorbei sein würde und wir endlich wieder Moped fahren konnten, zurück zum Parkplatz.
Beweisfoto an der Burg Eltz – Wurde während der Jahrhunderte immer schön in Ruhe gelassen und sieht jetzt aus wie aus dem Ei gepellt, nur viel größer.
Wir erreichten das Hotel um 11:30 Uhr, checkten aus und fuhren an der Mosel entlang Richtung Trier. Traumhafte Strecke, die einzigen Geraden liegen zwischen langgezogenen Kurven, dazu links und rechts saftig grüne Weinberge und zwischendurch malerisch schöne Dörfer durch die man gerne durchfährt aber nicht dort wohnen möchte. Die kleinen Straßen und die Bundesstraßen wechseln ab und zu die Seiten. Wir blieben fast immer auf den kleineren und weniger befahrenen Strecken und wechselten so immer mal die Ufer.
Blick von Takeshis Castle auf die Mosel. Kann aber auch Traben-Trarbach gewesen sein.
Das Wetter war gegen Nachmittag schon nicht mehr ganz so gut aber wir erreichten irgendwann trocken Bernkastel – Kües. Es sah ziemlich nach Regen aus und irgendwie wollten wir nicht mehr weiter bis nach Trier. Das wären noch mal locker 50 km gewesen. Also suchten wir uns ein Hotel direkt am Wasser und blieben dort. Austi und Klausn gingen einkaufen wären ich auf die Mopeds aufpasste. Vor lauter Langeweile kramte ich gerade in meiner Tasche und suchte meinem Flachmann als mich ein Mann ansprach. Ich merkte das erst garnich bis er mit seinem Kopf auf meine Höhe runter kam und sagte: „Das sind alte Simpsons Motoräder, stimmts?“ Sie waren zu zweit aber der andere stand nur da und sah sich die ganze Situation interessiert an. „Nein“ sagte ich, „die Dinger sind brandneu, haben wir zur Jugendweihe bekommen.“ Er sah mich an und überlegte wie ich das meinen könnte. „War Spass“, schob ich gleich hinterher um das Eis zu brechen. Ich hatte gehofft, dass die Sache damit erklärt war aber ohne ihn. Ich hasse diese Art von Gespräch. Ironie perlte von ihm ab wie Wasser an der Ente. Er hatte keinen Sinn dafür, so wie andere Leute nicht singen oder Schachspielen können. „Die Simpsons sind alt stimmts?“, sagte er wieder und das erinnerte mich an eine hängen gebliebene Schallplatte. „Ja klar sind die alt…“ sagte ich, „…aber außer bei Autos und Frauen ist neu nicht immer gleich gut“. Mal lieber den Kopf unten und den Ball flach halten dachte ich mir als mir fast ein „was geht’s dich an“ rausgerutscht wäre. Wo ist Austi wenn man ihn mal braucht? Austi war immer dafür zuständig den ganzen Mauken zu erklären was wir hier machten und er konnte das auch sensationell gut. Mit einer Engelsgeduld erzählte er jedem der fragte immer und immer wieder den selben Quatsch, Baujahr, Zweitakt Motor, Schwalbe, S51, SR50, Nachfolger, aber alles Simson, aus der ehemaligen DDR, legale 60 km/h, zuverlässig…so ging das pausenlos, aber nicht hier. Hier war ich mit den beiden alten Knallköpfen alleine und mir war klar, dass ich nach einer Möglichkeit suchen musste um irgendwie aus der Situation zu entkommen. „Schöne Simpsons sind das“…faselten sie weiter ihren Blödsinn. Sie redeten zwar zu mir aber nicht mit mir. Die Situation wurde mir immer unangenehmer und ich versuchte irgendwie zu entkommen und mir eine höchst zweifelhafte Ausrede zusammenzufriemeln. Plötzlich klingelte mein Handy. Es war ein Beraterkollege aus Hamburg. Ich drückte ihn weg und tat so, als würde ich mit jemand anders reden und deutete den beiden Knallköpfen, denn das waren sie für mich in diesem Moment, Knallköpfe, an, dass ich nicht mehr mit ihnen weiter plaudern könne und sie gaben auf und schlichen sich genauso schnell davon wie sie gekommen waren. Mit einem Einweggrill, 2 Flaschen Wein vom freundlichen Winzer und 5 Kg Würsten gingen wir runter zur Mosel, machten uns dort einen schönen Abend und sahen zu wie die Sonne hinter den Weinbergen verschwand. Wir wussten, dass das der schönste Tag auf der Tour war und dass es ab jetzt eigentlich nur noch schlechter werden konnte.
So sieht Senheim nach einem Glas Wein aus.
Das musste sich Austi die ganze Zeit angucken – Barti vs. Klausn
Regen – Das wird das Motto der nächsten Tage sein
so sieht das Bild von oben in der 1st Person Perspektive aus
Heutige Defekte: keine