Tag 14

Es fing an zu schlingern, erst ein bisschen, dann richtig und dann fand ich mich im Graben wieder. Ich zitterte. Eigentlich war ich nicht gläubig, ich betete erst, wenn es brenzlig wurde und das war so ein Moment. Ich setzte mich, rauchte eine und guckte mir an, was passiert war, während ich an den Muttimodus einer Bekannten dachte, mit der ich vor einigen Tagen noch geschrieben hatte. Immer schön aufpassen beim Haken schlagen und durch Lücken quetschen, hatte sie geschrieben. Naja, das halbe Hinterrad hatte seine Speichen verloren, wie es aussah. Bis zum nächsten Dorf war schieben angesagt, das waren 4 lange Kilometer, denn das Rad verkantete sich ständig, es hing ja nur noch an den 12 verbliebenden Speichen. Nach einer Stunde erreichte ich verschwitzt die nächste Werkstatt und zeigte auf das Hinterrad. Einer der Mechaniker kam, sah und zuckte mit den Schultern. Das dauert, das geht heute nicht, du siehst ja was hier los ist, sagte er. Ja nun, antwortete ich, weiter komme ich nicht. Ich auch nicht sagte er, das Einspeichen ist eine Schweinearbeit, das dauert und hier müssen noch andere Sachen dringend gemacht werden. Dann ging er und ich guckte einen anderen Mechaniker an und der sah auch ratlos aus. Ich baute meine Gepäckkonstruktion ab, suchte einen 19er Schlüssel und fing an das Rad auszubauen. Ich hatte mit Widerstand gerechnet aber das große Gewitter blieb aus. Der Mann kam wieder, sah aber nicht verärgert aus und nickte mir stattdessen aufmunternd zu. Dann nahm ich einen Schraubenzieher, drückte ihn ins Ventil, ließ die Luft aus dem Reifen und fragte nach einem Montiereisen. Einer der Mechaniker machte mir den Mantel von der Felge und gab mir den Kram zurück. Dann fing ich an, die Speichenreste samt Nippel raus zu friemeln. Anschließend ging ich wieder zu ihm und fragte nach Speichen. Es war eigentlich genau so wie beim Fahrrad aber das lag schon eine Weile zurück und ich musste erst überlegen wie die Kreuzung aussehen musste und die Speichen beim Motorrad ließen sich nicht biegen, das machte es noch schwieriger. Nach etwa 10 Speichen fragte ich, ob das so richtig ist. Er betrachtete mein Kunstwerk und guckte wie auf etwas, das der Hund vor die Tür gelegt hatte. Dann rief er seinen Stift und der machte den Rest, eigentlich fing er noch mal ganz von vorne an. Er steckte zuerst alle Speichen in die Nabe und fädelte die anderen Enden in die Felge. Hier, sagte er. Aber einbauen musst du alles wieder selber. Ich beugte mich von der rechten Seite aus über das Moped, versuchte den Gang herauszunehmen, verlor das Gleichgewicht, fiel nach vorne über und kippte samt Moped um. Bei der Gelegenheit ging auch gleich der Spiegel zu Bruch. Sie guckten kurz, ob ich noch zappelte und machten ungestört mit ihrem Kram weiter. Es gibt Tage, dachte ich, da bleibt man besser im Bett.

Die Tour von Nha Trang bis Dalat war ansonsten wirklich schön, auch wenn der ganze Tag insgesamt ganz schön bitter schmeckte, dachte ich, während ich einen völlig überfüllten Pub betrat. Ist nix mehr frei, sagte ein Kellner, der mich beobachtete, als ich mich umsah. Höchstens irgendwo dazusetzen. Dazusetzen? Ist doch Scheiße, murmelte ich. Er lief zu einem der großen Tische an dem zwei Kerle und drei Frauen saßen. Ich setzte mich dazu. Woher kommst du, fragte der eine. Holland antwortete ich. Und was machst du hier? Nun ja, ich habe mir in Hanoi ne Karre gekauft und fahre bis Saigon. Er verlor sofort das Interesse an dieser Unterhaltung. Nicht aber die eine Frau, sie hieß Thao und fragte immer weiter. Irgendwann wechselte sie mit der Frau rechts von mir die Plätze, damit wir uns besser unterhalten konnten. Und was macht ihr heute noch so? Weiß nicht, sagte sie, sieht ein bisschen nach Party aus heute. Club vielleicht. Club, fragte ich skeptisch. Na klar, was denn sonst? Oder gibt’s bei euch sowas nicht? Doch, doch, ich hätte nur nicht erwartet, dass. Ich brach ab. Ich hatte bisher nur Güllebauern mit Gummistiefeln hier rumlaufen sehen und wollte nicht fragen, ob die da dann auch hingehen. Magst du mitkommen, fragte sie schließlich nach dem fünften Bier. Nee, ich bin durch, ich geh lieber nach Hause, lallte ich. Ich konnte es nicht fassen. Hatte ich wirklich gerade gesagt, ich gehe nach Hause? Nagut, sagte ich. Ist das denn weit? Nen bissl, sagte sie, wir teilen uns ein Taxi. Auf der Fahrt hielt sich Thao, die hinten in der Mitte sitzen musste, an meinem Bein fest. Das kann ja noch heiter werden, dachte ich.

Als wir den Club betraten, erinnerte mich das irgendwie an die Bars meiner Jugend. Die Grotte und andere. Nur, dass es hier viel dunkler und brechend voll war, obwohl es erst gegen 10 Uhr abends war. Es hämmerte irgend ein Techno Pop Sound mit vietnamesischen Gesang aus den Boxen und man konnte sogar Essen bestellen. Komischer Club, dachte ich. Irgendwann verlor ich die anderen und ging vor die Tür. Es waren zwei Türen wie in einer Art Schleuse. Als ich aufgeraucht hatte und zurück gehen wollte, kam mir Thao entgegen. Barti, da bist du ja, sie breitete die Arme aus und umschlang meinen Hals, ich hob sie hoch und humpelte mit ihr durch die erste Clubtür, es war sehr dunkel und ich fand die Klinke an der zweiten, gepolsterten Tür nicht. Ich setzte sie ab aber sie ließ meinen Hals nicht los und kicherte. Thao, las los! Ach Barti, du bist doch echt…was weiß ich. Schon gut Thao, sagte ich, während ich weiter die Klinke suchte. Schließlich nahm ich mein Feuerzeug zu Hilfe, während sie von hinten meinen Bauch anfasste und mich befummelte. Überall fett, aber auch Muskeln, sie kicherte. Thao, hör auf mit dem Scheiß, wir sind hier nicht auf dem Viehmarkt, sagte ich. Ich fand die Klinke und machte die Tür auf. Heiße Luft und Geschrei und über allem fette Gummistiefelbeats schlugen mir ins Gesicht. Wir kamen in dem Gedränge so langsam voran, dass alles unfassbar weit weg schien. Hier war eindeutig Party und ich merkte, wie die Erinnerung von meinem Beinahecrash aus mir herausgedrückt wurde, wie Zahnpasta aus der Tube. Mit jedem Schritt durch das Gewusel bekam ich bessere Laune. Es war Party und ich war mittendrin, sogar mit Frau an der Hand, dachte ich, auch wenn es Thao war. Egal, dachte ich, wenn Party ist, dann darf man nicht wählerisch sein und das dachte sie wohl auch, als sie sich vordrängelte und meine andere Hand nahm und mich zu den Anderen auf die Tanzfläche zog. Ich wusste nicht, wie ich mich zu dem Gummistiefelbeat bewegen sollte und wackelte nur etwas hin und her. Es muss ziemlich dämlich ausgesehen haben. Gegen zwölf hatte sie Mitleid mit mir und wir gingen an die Bar. Soll ich dich noch nach Hause bringen, fragte sie. Nein, nein, ich finde den Weg schon. Nicht du, sagte sie. Ob du mich nach Hause bringst. Achso, ist so laut hier, sagte ich und grinste. Jetzt? Ja klar, wann denn sonst? Dann gingen wir zu ihr.

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Tag 13

Russen sind ja praktisch auch Menschen, dachte ich, als ich durch die Innenstadt von Nha Trang schlenderte. Sie sind viele, eigentlich waren sie überall, die Geschäfte hatten sogar die Reklametafeln ins Kyrillische umgelabelt, wie mir in diesem Moment auffiel. Sie riefen laut, spuckten auf die Straße, warfen den Müll, den sie in den Händen hatten, da, wo sie gerade standen, auf die Straße, schaufelten sich die Teller in den all you can eat Läden voll aber aßen nicht auf und über allem lag eine leichte Alkoholfahne. Die Unmengen zugedröhnter Scheißrussen, wie ich sie in Gedanken nannte, machen mich noch wahnsinnig, dachte ich, ich muss zusehen, dass ich hier schnell wegkomme. Ich betrat einen Musikladen und fühlte mich plötzlich erleichtert. Es war quasi eine Flucht, dachte ich, während ich mich in dem kleinen Laden umsah. Dort gab es alles, was in einen anständigen Musikladen reingehörte. Gitarren, Ukulelen, Keyboards, Drums und Blasinstrumente aber von denen verstand ich nicht viel und wusste im Grunde nur, dass es sie gab. Ich schaute mich einige Minuten lang um und als ich mich unbeobachtet fühlte, latschte ich volle Kanone auf eine Hi-Hat und erschrak mich selbst in diesem Augenblick von dem lauten Geräusch, denn das hatte ordentlich gerumst. Nun kam auch der Verkäufer aus seiner Deckung und fragte, ob ich noch alle beisammen hätte. Ich suche eine Gitarre, sagte ich verlegen. Gitarren sind da drüben, antwortete er verärgert und gab mir nacheinander einige zum Probespielen in die Hand. Das wird ja immer schlimmer dachte ich, eigentlich wollte ich nur von dem Fauxpas mit den Drums ablenken und wünschte mir, ich hätte lieber einfach leise auf den Toms rumgeklopft, während ich eine nach der anderen erst stimmte und anschließend das E-Rriff von Personal Jesus anschlug. Und jetzt, wo ich seine Beratungsleistung ausgiebig und wider Willen in Anspruch nahm, werde ich eine kaufen müssen, dachte ich und versuchte in Gedanken auszurechnen, wie viel die einzelnen Gitarren in Euro kosteten. Vielleicht sollte ich lieber mal das Intro von Nothing else matters spielen, dann wirft er mich vielleicht raus, dachte ich, denn das war die Todsünde überhaupt. In allen Musikläden der Welt gab es ein Metallica verbot, weil es schon zu Todesfällen durch Ohrenkrebs unter den Verkäufern gekommen ist. Die klingen alle schön, aber haben sie auch eine in meinem Budget, fragte ich und kramte 20 Mäuse aus der Hosentasche. Er guckte auf die Dollarscheine und nahm mir sofort die Gitarre, die ich gerade in der Hand hielt, weg. Er krabbelte hinter seine Theke und kramte eine unfassbar hässliche Klampfe hervor. Die hier, sagte er und reichte sie mir. Es war ein scheußliches Ding mit einem furchtbaren Klang und lausiger Verarbeitung. Ja gut, sagte ich, nehme ich, um der Sache ein schnelles Ende zu machen. Er steckte die Dollar in seine Hosentasche und fragte mich, ob ich noch eine Tüte wolle oder ob das so geht. Geht so, sagte ich und trat mit der Gitarre unter dem Arm aus dem Laden heraus auf die mit Russen überfüllte Straße. Jetzt bloß schnell aus Klein-Moskau weg, wie ich es in Gedanken nannte. Am besten zum Strand, da kann bis auf einen Sonnenbrand nicht viel schiefgehen.

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Tag 12

Der Motor fing erst an zu röhren und dann zu stottern und schließlich ging er ganz aus. Ich schraubte mit meinem mitgebrachten Zündkerzenschlüssel die Kerze raus und sie war weiß. Das ist nicht gut dachte ich, weiß heißt heiß und das passiert eigentlich immer dann, wenn das Gemisch zu mager ist, also zu viel Luft und zu wenig Benzin im Brennraum ankommt, ich drehte die Gemischeinstellschraube eine Umdrehung rein um es fetter zu machen und nachdem der Motor abgekühlt war, sprang das verdammte Ding auch wieder an. Der Motor drehte zwar nur noch bis 5000 Umdrehungen pro Minute aber es reichte um ins nächste Dorf zu humpeln. Wo ist denn hier mal ne Werkstatt, fragte ich den erstbesten Typ, den ich traf. Er zeigte mir ein paar hundert Meter weiter das Haus wo ich hin musste. Vertrauensvoll sah das hier alles nicht aus, fand ich. Ich beschrieb dem Werkstatthäuptling mein Problem so gut es ging und er schüttelte mit dem Kopf. Dann ging er und ich rief, Ej, Moment mal, du kannst doch nicht einfach so abhauen. Er guckte sich um, wie der Typ, der in der Sesamstraße die Buchstaben verkauft und kam wieder einen Schritt auf mich zu. Bitte, sagte ich. Er hob drei Finger und sah sich wieder um, was wohl so viel wie 300000 Dong heißen sollte. Oder vielleicht doch 3 Mio? Ich nickte und der Mechaniker fing an die Kabel und Schläuche abzuziehen und den Vergaser herauszuschrauben. Er redete und fluchte, während er das tat und so ging das munter in seinen Bart hinein und ich las mich davon berieseln, während ich ihm zuguckte und rauchte, es war angenehm nicht angesprochen zu werden und nicht antworten zu müssen. Aber irgendwie muss man sich den Leuten ja auch öffnen. Man darf sich nicht immer gleich angegriffen oder diskriminiert fühlen dachte ich, nur weil man ihre Sprache nicht spricht. Vielleicht wäre es wirklich mal gut Kontakt aufzunehmen, zu einem, der von ganz woanders her kommt und ganz woanders unterwegs ist, rauschte es mir kirchentagsgleich durch die Birne während ich die Kippe auf dem Boden austrat, eine Tätigkeit die mir, wie ich in den letzten Tagen gelernt hatte, umso mehr Spaß machte, je öfter ich in einer Werkstatt saß und rauchend beim Schrauben zusah. Ich stand auf, ging um das Motorrad rum, hockte mich hin und sah mir die krumme Vergasernadel an. Die sollte man vielleicht auch mal wechseln, sagte ich und er erwiderte, ja ja, kommt alles noch. Ich setzte mich wieder, hier werde ich wohl nicht gebraucht. Nach 30 Minuten war wieder alles zusammengebaut und er schickte mich auf eine Probefahrt. Ich gab ihm 400k Dong, verbeugte mich und fuhr weiter bis Nha Trang, einer Stadt an der Küste mit einem fantastischen Strand.

Auch mal was essen dachte ich, als ich nach dem Einchecken im Hotel durch die Straßen von Nha Trang lief, um die Gegend etwas zu erkunden. Das Hotel gehörte zur Sofitel Kette und da musste ich aus meiner Zeit als Businesskasper noch ordentlich Punkte auf dem Clubkonto gehabt haben. Wollen Sie die einlösen, fragte die Frau an der Rezeption? Wir haben in der 18ten noch eine Executive Suite mit zwei Zimmern, die können sie haben. Ich nickte und sie buchte mich um. Jetzt schaute ich gerade vor einem Restaurant in ein großes Aquarium und beobachtete die Hummer, es waren zwei, als mich plötzlich ein Mann ansprach. Wie heißen die beiden, fragte ich. Er dachte kurz nach. Jimmy und Johnny, sagte er daraufhin und grinste. Jimmy sah mich unterdessen mit seinen Stielaugen an , schnappte mit seinen Scheren nach mir und sah generell etwas bedrückt aus. Ist nicht dein Tag heute, was? Wie viel, fragte ich den Mann. 600000 Dong sagte er und ich nickte. Daneben stand ein großer Topf mit Kalamaris Ringen. Und noch was von den frittierten Vorhäuten bitte, sagte ich zu ihm und setzte mich an einen Tisch.

Es lagen inzwischen weniger Tage vor, als hinter mir. Sich dessen bewusst zu werden, machte mich etwas sentimental. Allerdings dachte ich auch mit Vorfreude an eine Konzertverabredung am übernächsten Sonntag in Berlin. Das hatte etwas ambivalentes, dem ich mich gerne hingab.

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Immer auf die Hände und den Kehlkopf gucken, hatte mir jemand gesagt. Super Hände.

Tag 11

Gibt’s ja nicht, dachte ich, während ich zu dem Platz ging, an dem ich gestern mein Motorrad abgestellt hatte. Die haben mir die Karre geklaut. Und das, obwohl ich es extra an der dreckigsten Ecke abgestellt hatte, die ich finden konnte. Es war vor einer Art Hütte, in der drei marode Typen auf dem Boden saßen und mit beiden Händen ganz tief in den Drogentopf gegriffen hatten, wie es den Anschein machte. Sie saßen jetzt am nächsten Morgen immer noch oder vielleicht auch schon wieder da und sahen noch genauso verstrahlt aus, wie in der Nacht zuvor. Wo ist mein Hobel ihr Arschlöcher, sagte ich zu ihnen.

Ich machte einen riesen Aufstand, warf mein Rucksack in die Ecke und fluchte rum. Dann zeigte ich mit dem Finger auf jeden einzelnen der drei, dann auf meine Augen und dann zu der leeren Stelle, auf der mein Moped stand. Ihr drei Flitzpiepen  wollt davon nix wissen, ja? Wart ihr alle zusammen mal kurz pissen und in der Zeit kam einer und hat die Karre mitgenommen, ja? Sie guckten verstört. Na gut, dachte ich, ihr wollt rumblödeln, das könnt ihr haben. Ich holte mein Handtuch aus dem Rucksack, breitete es aus und setzte mich zu ihnen an die Stelle wo tags zuvor mein Moped stand. Es ist immer gut zu wissen, wo sein Handtuch ist, dachte ich verstreut und sagte zu den Dreien, jetzt hört mal zu ihr kleinen Strolche, sitzt ihr schon die ganze Nacht hier oder schon wieder? Sie antworteten nicht aber redeten untereinander ihren vietnamesischen Kram. Dann reichte mir der eine, er hatte keine Zähne mehr, wie mir auffiel, eine selbstgebaute Zigarette. Ist nur nen Sticky, sagte er. Ich schüttelte den Kopf und kramte meine Schachtel raus. Ich habe selbst, sagte ich und hielt ihm meine Schachtel hin, sind besser. Du kannst das Vieh auf die Weide führen aber es nicht zum Essen zwingen dachte ich grimmig und dachte darüber nach, ob das ein Fehler war. Entweder Verbrüderung oder Angriff, dachte ich und entschied mich für Angriff. Ich rauchte und redete laut mit mir selbst und manchmal auch zu ihnen, während ich immer mal wieder lauter wurde und fluchte. Vielleicht sollte ich dann mal die Polizei rufen, sagte ich in ruhigem Ton, lächelte freundlich, wedelte mit meinem Handy und nickte dazu. Da lachten sie. Es war eine groteske Szene, ich der große böse Wolf und sie die kleinen Drogenschweinchen in ihren Häuschen aus Acidpapier, Hanfholz und Crackstein. Als ich überlegte, was jetzt zu tun sei, machten zwei der Schweinchen zu ihrem Kumpel eine wegschickende Handbewegung und der dritte wiederum stand auf, ging zwei Meter, dreht sich zu mir und machte mit dem Finger eine winkende Bewegung, als wenn er mich in sein Hexenhäuschen locken wollte. Ich folgte im zwei Schritte, dann zeigte er auf die Ausfahrt des Hotels. Ihr habt mich die ganze Zeit verarscht? Ihr kleinen Fertzen, dachte ich. Dann sammelte ich meinen Kram ein und ging nach unten und tatsächlich stand da der klapprige und dreckige Gaul samt Teddy. Hätte ich mal lieber gleich an der Rezeption danach gefragt. Meine Güte, dachte ich, und das am frühen Morgen. Nächstes Mal ziehe ich den Schlüssel ab, ihr Schurken.

Auf der Fahrt von Pleicu nach Buon ma Thout passierte nicht viel, es waren 100km Landstraße und noch mal 100km verdreckter Feldweg. Warum, dachte ich, gibt es hier eigentlich kein Benzin mit hoher Oktanzahl. Es muss ja kein Superplus sein aber 90 Oktan würden sich weit weniger schlimm anhören, denn der Motor klingelte und klopfte, als würde er gleich seine Pleul, Simmerringe und was weiß ich was da noch so für Eingeweide drin sind, aus dem Auspuff auskotzen.

Buon ma Thout ist die Hauptstadt des Kaffees. In einem Cafe erzählten mir eine Gruppe Vietnamesen, die mich auf den Teddy an meinem Moped angesprochen hatten, vom Krieg, ich wusste ja selbst nicht viel darüber und ich fand es sehr interessant. Mal trinken was noch so passiert.

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ganz schön dreckig, warum gibt es keinen Waschservice während der Fahrt? #dasnächstegroßeding

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Keine Beschwerden mehr über kaputte Straßen.

Tag 10

Als ich aufwachte, war es halb sechs Uhr morgens, also für meine Verhältnisse mitten in der Nacht, durch das Fenster schien gelbes Licht, Mopeds waren nicht zu hören, nur ein Zug und ganz in der Ferne und ganz leise. Ich brauchte einige Zeit um zu begreifen wo ich war und für einen kurzen Moment wünschte ich, ich wäre zu Hause. Dann schaute ich wieder auf das gelbe Licht an der Decke und war dann doch glücklich, hier zu sein.

Bis Hoi An war alles durchdacht, danach war alles leer. Die alten Sachen waren Vergangenheit und alles Neue war offen, keine Richtung, kein Plan. Das gefiel mir ganz gut. Ich fuhr nach dem Frühstück aus der Stadt raus und suchte aus dem Gefühl heraus nach Straßen, die nach Süden führten. Meine kleine Honda, die keine war, hatte langsam was von Herpes, dachte ich etwas albern, macht Spaß sie sich zu holen aber für jeden Tag würde ich dann doch lieber eher zur Vogelgrippe greifen. Gegen Mittag schaffte ich es noch eiernd ins nächste Dorf zu humpeln, das Landstrassen gebolze hatte die hintere Pelle aufgefressen und das vordere Radlager hatte es nun auch ganz hinter sich. Es verabschiedete sich beim Anbremsen an eine Kurve mit einem lauten Knall und es begann höllisch zu schlingern. Der örtliche Schrauber hatte alle Ersatzteile da und machte sich gleich eifrig ran. Er war gut, bei ihm saß jeder Handgriff, und in einer Geschwindigkeit, die in der Werkstattszene seinesgleichen suchte, löste er Achsmuttern, trieb die Reste des alten Lagers aus und das neue rein, wechselte die Gummies, justierte die Bremse und ölte zu guter Letzt noch die Kette. So sollte es sein dachte ich, kein ATU artiges Herrenmenschen getue sondern ehrliche, von der Pieke an gelernte Handarbeit.

Die Straßen führten mich bis Pleiku, eine große, hässliche, dreckige und sündige Stadt, weit im Landesinneren. Ich war kaputt von der langen Fahrt aber fuhr vom Hotel aus noch mal in die Innenstadt um was zu essen und ging danach alleine ins Kino und sah mir ein Film mit vielen Toten an. Am Ende war ich froh, dass wenigstens der Held überlebt hatte und mit diesem Gefühl der Erleichterung ging ich ins Bett.

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Tag 9

Die Kommentarfunktion ist offline, daher muss das jetzt so gehen. Micha H. fragt: Was machst du denn mit deiner Zahnbürste am Strand? Nun, das ist der Moment, wo es schon wieder etwas peinlich wird. Ich habe immer Paranoia und möchte es vermeiden, dass sich die Putzkolonne vom Hotel meine Zahnbürste gegenseitig an die Vorhaut hält. Daher nehme ich die immer mit.

Und nun weiter im Logbuch. Schade, dachte ich wieder, dass meine beiden besten Kumpels nicht mit dabei sein konnten. Aber der eine wäre unterwegs verhungert oder an Blitzherpes gestorben und der andere im Verkehr umgekommen, wenn er nicht vorher auch verhungert wäre.

Ich hatte mir für heute vorgenommen, mich etwas um mein Moped zu kümmern und ging beim Frühstück gedanklich die offensichtlichen Baustellen durch. Schwitzender Zylinder, schlechtes Ansprechverhalten des Vergasers. Kupplungskorb, zerbröseltes Radlager, defektes Lenkkopflager, die Liste war ganz schön Lang. Der schwitzende Zylinder ist beim Viertakter noch kein Problem, solange alles dicht ist aber ich hatte mir vorgenommen es mir genauer zu betrachten. Was aber ein Problem war, war das schlechte Ansprechverhalten aus dem Leerlauf bei heißem Motor. Es klang, als würde das Gemisch beim Gasgeben abmagern, und vermutete auf einmal den Luftfilter. Das würde auch erklären, warum die Kolbenringe schon das Lied vom Tod singen. Viertaktvergaser sind eine einfache Sache, dachte ich, das kriege ich selbst hin.

Ich schraubte mit meinem wenigen Werkzeug etwa zwei Stunden lang rum, dann konnte ich nix mehr tun und lies einen Ölwechsel von der Werkstadt machen. Gegenüber war eine Kaffeerösterei, in der ich gleich mal einen Kaffee bestellte und eine Zeit lang trauerte, dass ich in Hanoi keine Minsk bekommen hatte. Das war so etwas wie eine MZ, also ein Zweitakter und definitiv die Kalashnikov unter den Motorrädern. Stattdessen, habe ich das unzuverlässigste Motorradmodell in Asien, eine Honda Win, die keine war sondern scheinbar nur eine Replika und verdrängte mein Verlangen nach einer Minsk. Und dann musste ich ja auch noch warten bis die Kaffeemaschine durch war und ich das schwarze Zeug, das sie produzierte getrunken hatte. Es war ein großes Ding mit jeder Menge Röhren und Schläuchen, sie gurgelte und zischte und irgendwie sah das Ding aus wie das Centre Pompidou. Das gehörte zum Ablauf, das war Teil der Kette verlässlicher Ereignisse, die meinen Tag unterteilten wie die täglichen Standupmeetings das gute alte Projektgeschäft, an das ich schon lange nicht mehr gedacht hatte. Während ich eine Stunde später das Café verließ, in der linken Hand mein Handtuch, in der rechten Hand eine vietnamesische Tageszeitung, mein Handy, Schlüssel, Zigaretten, Feuer und meine Zahnbürste, jedenfalls verdrängt dachte ich, nur eine kurze Schreiberei mit einem Kollegen hat mich wieder auf den Gedanken gebracht, und so ging ich runter zum Strand. Dort angekommen setzte ich mich auf die Liege neben zwei Frauen und wir teilten uns den riesigen Sonnenschirm.

Sie hießen Alessia und Jessi, waren Mitte 20, wohnten beide im gleichen Hostel auf der anderen Seite des Flusses und reisten seit Phong Nah gemeinsam. Alessia kam aus Kanada und hatte 8 Wochen Zeit für die ganz große Runde mit Kambodscha, Laos und was weiß ich nich noch alles. Jessi kam aus England, arbeitete für einen Chemie Konzern und lebte gerade in Singapur. Sie kamen mir vor wie die Gilmore Girls, sie redeten und schnatterten unaufhörlich, die eine begann einen Satz, die andere beendete ihn und sie mussten lachen, als ich sie fragte, ob sie die Gilmore Girls kennen würden.

Irgendwann ging Jessi zu den Toiletten und ich erzähle Alessia von meiner USA Westküstentour aber ich brach das irgendwann ab, das war nutzloses Wissen. Eine Anekdote ohne Pointe und eigentlich auch ohne jede Handlung. Egal was es war, sexy war es nicht. Alessia fing an zu grinsen und plötzlich steckte mir Jessi eine Landung Sand von hinten in die Hose. Sie ist gut dachte ich, und wenn sie so weiter macht, ist sie bald besser als ich. Aber noch war ich nicht beim alten Eisen sondern im besten Mannesalter, in dieser Zitrone ist noch viel Saft, dachte ich etwas albern. Grausam das. Sowas darf man nicht mal denken dachte ich. Wir bewarfen uns gegenseitig mit Matsch, stukten uns gegenseitig unter Wasser, blödelten und scherzten, nur Alessia saß schmollend auf der Liege und beobachtete uns skeptisch. Du siehst aus, wie ein Schulmädchen, das gleich seine Hausaufgaben machen muss, sagte ich zu ihr aber sie antwortete nicht. Ich geh mal weg, sagte sie dann und Jessi fragte, wohin denn? Kotzen, antwortete Alessia. Ich sah Jessi an, sie stand da, hielt die Hände auf wie um Regen aufzufangen, zuckte mit den Schultern und grinste mich an. Dann sind wir ja jetzt ungestört. In diesem Moment spürte ich eine wohlige Mattheit, die mich widerstandslos machte.

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würde auch gerne noch 5 Wochen dran hängen

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Die Nr. 63 mit Pommes und Salat für 3,60€

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Ein Geschenk von Jessi, irgendwie niedlich, nenne ihn Tesco. Hoffe, er bringt mir Glück. Ok, die Idee ist von den Briten geklaut, die haben früher an ihre Mülltrucks auch Teddies gebunden, aber hier ist alles wieder neu.

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Genial

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Tag 8

Strandtag, komisches Wort, dachte ich. Aber das war für heute der Plan gewesen, auch wenn er nicht sonderlich ausgefeilt war, wie ich innerlich zugeben musste. Nach dem Frühstück, es musste so gegen 10, halb 11 gewesen sein, stopfte ich meine Badehose und ein Handtuch aus dem Hotel in meinen Rucksack und musste eine Weile überlegen, was man für so einen Strandtag alles braucht. Ich war etwas aus der Übung gewesen wie mir schien, dann packte ich noch etwas Sonnenmilch und meine Zahnbürste ein und fuhr los. Der An Bang Strand von Hoi An hatte etwas Ballermannartiges, das gefiel mir ganz gut und ich lief an den Fressständen, Souvenirshops, Restaurants, Bars, Verleihständen und einer Kunstausstellung vorbei zum Strand, hielt mich etwas rechts und lief weiter bis die Strandliegen aufhörten und suchte mir ein gutes Plätzchen. Ich fragte mich, ob das Wasser wohl kalt sei, denn das war ja nun wohl der Pazifik gewesen oder heißt das hier anders, fragte ich mich. Auf der Naviapp hieß es Indochinesisches Meer und ich überlegte was passiert sein musste, um das Ding umzubenennen. Wie kalt wird das denn nun sein, nahm ich den anderen Gedanken wieder auf und überlegte, ob ich es ausprobieren sollte aber ich blieb lieber erstmal liegen und wartete ab und beobachtete die amtlichen Wellen. So vergingen zwei Stunden, in denen nichts passierte und dann fasste ich den Entschluss jetzt wirklich mal meinen Fuß rein zu halten und es war tatsächlich warm gewesen. Ich wagte mich vorsichtig einen Schritt weiter, dann noch einen und noch einen und dann war ich schon fast drin. Ganz langsam, dachte ich, dann kann nix schief gehen. Vielleicht sollte ich mal ein paar Meter schwimmen, dachte ich. Kraulen vielleicht und überlegte wie das noch mal war mit dem kraulen. Ich wollte gerade mit Schwimmbewegungen einsetzen, als mich eine riesen Welle erwischte, dessen Wucht mich im ersten Moment so überraschte, dass sie mich umhaute, sie zog mich nach unten, ich schluckte Wasser, hustete, entschied, dass das alles Mist war und legte mich lieber wieder auf mein Handtuch.

Als ich Hunger bekam, ging ich hoch zum Eingangsbereich oder, wie ich es für mich zusammenfasste, die Gastro, zurück und platzierte mich so, dass ich auch etwas von der Kunstausstellung sehen konnte. Am Tisch neben mir war eine Horde betrunkener Bayern gewesen. Frauen und Männer gemixt und sie redeten unaufhörlich Schwachsinn. Es waren unangenehme Typen und ich stellte mir vor, mit einer der Frauen in einer Beziehung zusammen zu sein und gruselte mich. Sie waren alle vom gleichen Typ „High-Maintenance“, Frauen, mit denen man jede Menge Wartungsaufwand hat und die einem das Leben zur Hölle machen, dachte ich. Eine meiner Ex Freundinnen, die Psychologin war, hätte mich jetzt sicher für diesen Gedanken gehasst und mit den Augen gerollt, die alte Sozialhaubize, dachte ich, während sich jetzt der eine Typ über die ausgestellte Kunst lustig machte und in einer Lautstärke rief, in der jetzt alle etwas davon hatten, dass das alles Kunstmarktscheiss sei. Du Spacko, dachte ich grummelig, Du würdest Kunstmarktscheiss nicht mal erkennen, wenns dir im Arsch steckt. Wird Zeit, dass das Essen kommt.

Gegen 15:00 Uhr hatte ich einen derben Sonnenbrand und machte mich auf den Weg zum Hotel und von dort aus weiter zum Schneider meines Vertrauens. Für morgen nahm ich mir vor, mein Motorrad wieder in Schuss zu bringen, denn es hatte die harte Gangart nicht so gut überstanden.

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Tag 7

Den ganzen Tag damit verbracht, weswegen ich hier bin. Motorradfahren. Von Hue, der ehemaligen Hauptstadt über den Hel Van Pass und Da Nangh nach Hoi An. Ich erreichte das Hoi An Sunset City Hotel, das ich schon heute Mittag in Da Nangh gebucht hatte um 19:00 Uhr. Die Hotel Lobby war proppenvoll mit wartenden Touris und sie machten einen Höllen Lärm. Das war schon fast Stadionatmosphäre, dachte ich, während des Eincheckens. Wir müssen Ihnen leider…Standard…Sir…no.. .I‘m…Blablabla, es war so laut, ich verstand nur einzelne Fetzen aber worauf es wohl hinaus lief war, sie hatten mein Zimmer verpeilt. Sie redete und redete, Late checkin…to late…18…

KANN ICH MAL KURZ RUHE HABEN, rief ich in den Raum und weil das Hotel von Schalldämmenden Materialien nicht viel hielt, war auf dieser rhetorischen Frage ganz schön viel Hall drauf, so als würde man eine Basedrum über einen Gitarren Amp laufen lassen. Das hält ja kein Schwein aus. Genau, sagte die Frau von der Rezeption. Von ihnen auch mal bitte Ruhe, jetzt sage ich mal was. Ich hab einen Deal mit ihrem Hotel und wenn sie mich verarschen wollen, dann werde ich aber sauer. Ich habe ein Deluxe Doppelzimmer für mich alleine gebucht, mit Balkon und City View und das will ich jetzt haben. Die Frau unterbrach mich. Das ist schon richtig, sagte sie aber sie waren bis 18:00 Uhr nicht hier und da haben wir das anders vergeben. Ihr kleinen Strolche, dachte ich. Ich hob den Zeigefinger und sagte, Moment mal. Oh nein, dachte ich, jetzt nicht auch noch der Zeigefinger und sagte, Ich hab das schon bezahlt und es heißt Late-Checkin und nicht Irgendwann-nicht-mehr-Checkin und was weiß ich was mir noch so alles aus der Futterklappe purzelte. Ich brauche ein Snickers, dachte ich. Letztlich wurde der Chef informiert, großes Entschuldigungszeremoniell, alles nur ein Missverständnis, ich kriege als kostenfreies Upgrade die Junior Suite. Na also, geht doch, dachte ich, als ich aus dem Vordereingang des Hotels auf die volle Uferpromenade trat. Ich habe den Tag mit dem legendären Laternenfestival erwischt, wie es schien. Hoi An, hatte ich in einem Blog gelesen, ist noch nicht touristisch überlaufen, was es, wie ich jetzt dachte und wo ich hier inmitten von Leuten stand aber sowas von doch war, dass es schon fast wieder gut war. Ein guter Ort, um hier zu bleiben und erstmal ein paar Tage Urlaub zu machen, fand ich.

Ich setzte mich an die Promenade in ein Restaurant und überlegte, was ich essen sollte. Broiler, so heißt das halbe Huhn bei uns im Osten, hatte ich Charlotte, der Wienerin, vor ein paar Tagen erzählt und Ivette, die aus Eisenhüttenstadt aber eigentlich aus oder bei Neuzelle kam, bestätigte mich darin. Jenau, Broiler heißt dit bei uns, berlinerte sie drauf los. Also bestellte ich einen Broiler mit Kram und hatte eine Nahtot Erfahrung, als ich an der scharfen Soße leckte. Als ich die auf der Straße vorbei schlendernden Menschen beobachtete, erschrak ich. Ich sah plötzlich eine bildhübsche große Frau mit langen, dunklen, lockigen Haaren und realisierte erst eine halbe Sekunde später, dass das Charlotte, die Wienerin war, so als ob man einen guten alten Bekannten trifft, den man länger schon nicht gesehen hat und dessen Namen man im ersten Moment nicht mehr weiß. Und natürlich wusste ich ihren Namen sofort. Ich hatte ihn in den letzten Tagen öfter mal, wie um ihn in Gedanken auszuprobieren, gedacht und wahrscheinlich auch in meinen Helm gemurmelt. Die beiden erkannten mich auch sofort. Zufälle gibts, dachte ich und schüttelte innerlich den Kopf. Wir unterhielten uns kurz aber ich hatte das Gefühl, dass die beiden lieber allein sein wollten. Wir gingen noch ein Stück gemeinsam während sie erzählten, dass sie seit gestern schon hier sind und den Tag am Strand verbracht hatten. Ich fragte mich, was sie wohl angehabt hatte, Bikini oder Badeanzug und hatte auf Badeanzug getippt, weil ihr das bei ihrer eher kräftigen Figur besser gestanden hätte, wie ich fand. Dann verabschiedete ich mich lieber, um mir eine Motorradjacke schneidern zu lassen. Hoi An ist die Stadt der Schneider. Ich drehte mich beim Weggehen noch mal nach ihr um aber sie erwiderte meinen Blick nicht. Und wer weiß, vielleicht findet sie mich doof, dachte ich. Ich gehe erst einmal los, dachte ich. Der Rest wird sich schon irgendwie ergeben.

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Zum ersten mal das Masser gesehen, auch wenn ich nicht weiß, wie es korrekt heißt

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Rauchen und Motorrad fahren, das passt auch zusammen wie Chicken und Curry

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all day long…

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Video hat leider nicht funktioniert. Vielleicht später mit gutem WLAN

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Das Bild ist geklaut aber so siehts hier aus.

Tag 6

250 km Serpentinen. Die ersten Kilometer kneteten die Reifen warm und mir fiel auf, dass man alles, was man vorher übers Motorradfahren gelernt zu haben dachte, hier vergessen kann. Auch um die Linienwahl musste ich mir keine Gedanken machen. Es gab nur die Eine, auf der kein Dreck lag. Kurve um Kurve schraubte sich die Straße durch den Dschungel, an Wasserfällen vorbei, immer höher in die Berge, bis ich in den Wolken war. Die Amis haben das Gebiet hier damals versucht mit Napalm nieder zu brennen, um dem Vietcong die Deckung zu nehmen. Unvorstellbar. Keine Menschenseele weit und breit. Für Stunden. Und je höher ich kam, desto weiter weg gerieten die Projektpläne, die Excellisten, die Statusberichte, die Termine, die Probleme, sogar das bisher Erreichte. Normalerweise, dachte ich, steht man morgens auf und ist davon überzeugt, dass es für alles eine Lösung gibt. So war es jedenfalls bisher immer gewesen. Und hier, am sechsten Tag, auf dieser leeren Straße im und ins Nirgendwo, spielte das alles auf einmal keine Rolle mehr und ich versuchte mich daran zu erinnern, wann ich das letzte mal so gedacht hatte. Und plötzlich dachte ich an gar nix mehr, ich fuhr unaufhörlich von Kurve zu Kurve und nur der Instinkt hat den kleinen Gaul unabhängig vom Kopf und so schnell es der kleine Motor zuließ, bewegt. So ging das drei ganze Stunden lang, in denen ich an nichts mehr dachte und auch ans Ankommen dachte ich gar nicht mehr.

Gegen 12 machte ich Pause in einem kleinen Dorf mit vielleicht 20 Holzhütten um was zu essen. Ein kleiner Junge saß neben mir mit seiner Mutter und malte. Nachdem ich aufgegessen hatte, sah er zu mir herüber, reichte mir seinen Stift und hielt mir sein Blatt hin. Ich setzte mich zu ihm, nahm den Stift und malte ein paar Strichmännchen und eines hatte nur einen Arm und ich malte den fehlenden Arm daneben, als wenn er abgefallen wäre, das fand ich schon mal ganz gut. Der Junge sagte, da kann ich ja besser malen, oder jedenfalls glaubte ich das zu verstehen. Ich sagte zu ihm, kann sein aber du malst ja nicht, du sitzt nur daneben und guckst zu. Dann nahm ich einen roten Stift um den abgefallenen Strichmännchenarm mit Blut zu schmücken. Das schien ihm jetzt auch zu gefallen und er wurde mir plötzlich sympathisch. Ich unterhielt mich einige Zeit mit der Mutter mit Händen und Füßen und hatte derweil den Strichmännchen eine Gruppe Tiere beigesäht, es war ein seltsames Gewusel geworden und ich schrieb darunter „Workplace 2020 – wer ist wer“. Ein Platz in der Herde, verpackt als Identität.

In meinem heutiges Endziel angekommen, stellte ich fest, dass es nur unwesentlich größer war als das Dorf, in dem ich mittags gehalten hatte. Ich bestaunte das einzige Hotel und mir war klar, dass mir da drin auch mein mit Antibettwanzenzeug imprägnierter Cocoon Schlafsack nicht helfen würde. Ich massierte mir kurz meinen tauben Arsch und fuhr weitere zwei Stunden an die Küste nach Hue und ließ mich in dem besten Hotel der Stadt 2,5 Stunden durchmassieren. Damit bin ich jetzt der offiziell entspannteste Blogger in ganz Südostasien.

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Manchmal muss man sich auch mal mit weniger zufrieden geben

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Tief im Dschungel

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Das Missverständnis konnte ich aufklären

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Mit rechts kann ich nicht grüßen, ist ja die Gashand

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Tag 5

Susanne P. aus B. schreibt: „Schöner Blog, aber zu viel Text für meinen Geschmack.“ Na gut, dann gibt es jetzt eben keinen Text mehr dachte ich mir, als ich über die wirklich wunderschöne Bungalow Anlage mit dem poetischen und kunstvollen Namen „Chay Lap Farmstay“ zum Frühstück watschelte. Zwei, drei Bilder rein, Überschrift drüber und fertig ist der Lack. Hier passiert ja eh nix spannendes, dachte ich. Ein Besuch einer Höhle ist ja nun auch wirklich nix besonderes über das man bloggen müsste. Jede Berliner U-Bahn Station hat ja auch was von Höhle, auch wenn diese hier Paradise Cave heißt und zu den größten je entdeckten Stalaktithöhlen gehört, dachte ich, als ich den Frühstücksraum betrat und meinen Kurs in Richtung des 10m langen Buffets änderte. Guter Blogstoff sah anders aus, musste ich innerlich zugeben und nahm mir vor, mehr über das Wetter und die Matratzenqualität zu schreiben. Gestern Abend hatte ich mich noch einer Beautybehandlung unterzogen und meine Haut erneuern lassen. Super Haut. Komplett getauscht. Wahrscheinlich von einem Vietnamesen, der im Zwinger hinten im Hof gehalten wurde. Ist etwas zu kurz geraten, weil der Vietnamese, dem sie gehörte wahrscheinlich etwas kleiner war als ich aber es der größte war, den sie auftreiben konnten. Die dehnt sich noch, hatten sie zu mir gesagt. Nun denn.

Mein Vorrat an Zigaretten ging langsam zu neige, also entschloss ich mich zurück nach Phong Nah zu fahren, um welche zu kaufen, zu tanken, einen Ölwechsel machen zu lassen und etwas Benzin für die morgige Tour nach Keh Sanh oder A. Louie zu bunkern, falls ich es bis dahin schaffen würde. Ich fuhr gerade durch den Ort, als mein Handy vibrierte. Es war eine Nachricht von Steve S. aus B, der schrieb: „Hallo alter, habe gerade deinen Blog nachgelesen, super Text, mehr davon! Und denk dran! Der Penis ist die Antenne des Herzen :D!“ Wie man’s macht, es ist immer das Falsche dachte ich und sah plötzlich Charlotte, die Wienerin, die ich zwei Tage zuvor in Ninh Binh kennen gelernt hatte, vor einem ATM stehen und sie sah trotz ihres Schlumpi-Looks bezaubernd aus. Wo ist Ivy, fragte ich, denn sie stand alleine da und sie erkannte mich auch erst in dem Moment, als ich den Helm abnahm. Das sind ja Zufälle, dachte ich. Beim nächsten Mal kaufe ich mir einen Lotto Totto Schein, bei so einem Run muss man auf jeden Fall Lotto spielen, dachte ich. Sie wollten auch zum Paradise Cave und wollten sich gerade ein Moped mieten. Wir verabredeten uns gegen 12 vor einem Cafe auf der Hauptstraße, in der allerlei Hotels, Fressstände, Mechaniker, Touranbieter, Mopedverleihe und was weiß ich nicht alles ihr Quartier bezogen hatten und fuhren gemeinsam zum Cave und ich war froh darüber, weil ich in dem Moment wusste, dass Königgrätz nicht zwischen uns stehen würde.

Ich fragte mich, wie es denn sein kann, dass sich der Eindruck von einem Land so schlagartig ändern kann. Die landschaftliche Schönheit, die Ruhe und Entspanntheit könnte gegenteiliger zu dem was ich bisher gesehen und erlebt habe kaum sein. Vor dem Cave erwartete ich lange Schlangen von Touristen aber es war im Gegenteil kaum etwas los. Wir liefen jeweils vom und zum Parkplatz eine halbe Stunde durch den Regenwald und um uns herum waren nur wenig andere Touristen, sondern nur zirpende Grillen, Vogelgezwitscher und Ruhe. Es lag nicht mal Müll herum, was in Vietnam wirklich ungewöhnlich ist.

Schöner Tag, schöner Ausflug, schöne Begleitung. Aber Zigaretten und Benzin hatte ich immer noch nicht und der Ölwechsel wurde auch langsam immer überfälliger, dachte ich. Also fuhr ich mit Ivy und Charlotte zurück nach Phong Nah, nachdem wir etwas gegessen hatten und es schon fast 18 Uhr war. Ich fand eine, nunja, Werkstatt wäre zu viel gesagt, jemand der Werkzeug in seinem Garten liegen hatte und mir im Tausch gegen 4 US Dollar mein Öl wechselte, trifft es besser. Beim Zigaretten kaufen, bot mir einer der kleinen Strolche anstatt Zigaretten eine fertige Portion Orange Butt an aber es ist immer besser auf richtige Zigaretten zu bestehen, dachte ich. Morgen geht’s in die Berge mit endlos vielen Kurven, da braucht man keine Matsch- oder Saftbirne.

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Wie mir berichtet wurde, ist das der Drehort von „Lost“

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Super Höhle, auch das Bild – ist aber geklaut.

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hab immer noch keinen Selfiestick kaufen können, morgen baue ich mir selbst einen.

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Plötzlich steht eine Horde Ackerbullen hinter der Kurve, Surprise, statt Paradise.

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