Logbucheintrag #3 der Segelyacht Lucia
Boardzeit: Samstag 12.06.2021 16:30 Uhr
Position: Marina Veruda

Dass die Idee, ein elektronisches Logbuch zu führen quatsch war, merkte ich am Mittwoch, als ich den Rechner aufklappte und sah, dass der Akku alle war. Strom auf einer Yacht ist Mangelware und da wir weitgehend auf Häfen verzichteten, wurde es nicht einfacher das Notebook aufzuladen. Im Stadthafen von Mali Losinj konnten wir zwar anlegen aber die Hafeninfrastruktur (Landstrom, Toilette) war nicht nutzbar. Wegen Corona, hatte mir der Typ gesagt, der uns beim Anlegen die Mooringleine hielt. Ein braungebrannter Typ in Badehose, Badelatschen und sonst nichts. Wir hatten die Route dann irgendwann neu geplant.

Thomas: Alle mal herhören! Wenn die Infrastruktur in den Häfen nicht nutzbar ist, können wir uns das teure Anlegen in den Häfen auch sparen und uns lieber ein Mooringbojen Feld suchen. Das ist billiger. Ilovik liegt südlich. Da können wir hin und dann über Susak, Unije wieder zurück nach Pula.

Daniel: Das ist ja ne Katastrophe. Und dann müssen wir alle das kleine Boardklo hier benutzen?
Uli: Bye, bye, Comfort.
Ingo: Müssen wir noch was einkaufen?
Thorsten: Bier. Wir brauchen auf jeden Fall noch Bier! Und Zigaretten!
Thomas: Du rauchst doch gar nicht.
Uli: Wasser wäre nicht schlecht.
Thorsten: Du hast uns das hier eingebrockt! Erzähl du mir nicht, was wir brauchen!
Thomas: Na dann alle noch mal an Land und Kram kaufen! Morgen um 08:00 Uhr geht’s los.

Am nächsten Morgen gegen 11:30 Uhr fuhren wir nach Ilovik. Eigentlich war der Weg nicht weit aber Thomas bestand darauf noch mindesten 12 Manöverkreise zu fahren. Jeder 3 mal, hatte er gesagt. Ich zeig euch das, danach seid ihr dran! So lange bis es sitzt.

Thomas: Neuer Kurs: Halber Wind, wir fallen jetzt ab, also der Wind kommt dann von der Seite. Fiert auf die Schoten! Daniel du lässt die Fock etwas lockerer, Ingo, du die Großschot, damit der Baum etwas rüber kommt.
Daniel, Ingo: ist klar  
Thomas: Kurs liegt an. Hat jeder kapiert was passiert ist? OK, dann fertig machen zum Abfallen! Neuer Kurs: raumer Wind. Da kommt der Wind schräg von hinten. Ihr fiert dabei die Schoten noch ein bisschen mehr auf!
Daniel, Ingo: Ist klar!
Thomas: Raumshot Kurs liegt an Wind.
Daniel: Wieso heißt das „fiert auf die Schoten“? Ich hab doch hier gar keine Schot.
Thomas: Frag nicht so blöd! Der Skipper hat immer Recht! Das heißt eben so.
Ingo. Bei einer Genua gibt es Schoten. Das hier ist ja eine Selbstwendefock.
Daniel: Sag ich doch, das ist quatsch.

Thomas kam nach vorn um mir entnervt zu erklären wie das Ding funktioniert, warum das so heißt und welche Strippe womit verbunden war, als es plötzlich laut wurde. Das Boot schwankte und der Baum krachte mit einem Affenzahn und begleitet von einem ordentlichen Rums zur anderen Seite. Er hatte das Steuer losgelassen und das Boot drehte sich versehentlich mit dem Heck durch den Wind.

Thomas: Scheiße! Patenthalse! Weil ich mich noch von dir ablenken lasse. Darum hat der Skipper immer Recht. Den Baum hätte jemand an die Rübe kriegen können. Das gibt dann im Zweifel mehr als eine Beule. Das ist total gefährlich. Scheiße noch mal!
Uli kam zu mir rüber, setzte sich neben mich, lächelte und flüsterte mir ins Ohr. Der Baum hat immer Recht. Erst danach kommt, was der Skipper sagt.

Und so gehen die Tage ins Land. Manöverkreise, segeln mit grober Richtung zum neuen Schlafplatz, Aufregung beim Anlegen an Mooringbojen, die jeden Tag neue Überraschungen parat hatten, das Beiboot, das Thomas immer Dingi nannte, zu Wasser lassen, den Motor antüdeln, übersetzen an Land zum Essen wobei in das völlig überladene Schlauchboot immer auch ein ordentlicher Schwall Wasser schwappte und uns allen nasse Ärsche verpasste, Quatschen und Schlafen und dann wieder alles von vorne. Wind zwischen 6 und 20 Knoten, Sonne, kein Regen und Delfine als unsere Begleiter im Wasser. Schöner Törn. Schöner Urlaub.

Zusatzeintrag der Segelyacht Lucia
Boardzeit: Samstag 12.06.2021 18:21 Uhr
Position: Marina Veruda

Ich wollte gerade auf Speichern klicken, als es im Hafen gerade hektisch wurde. Eine 50 Fuß lange Beneteau Yacht versuchte hinter uns anzulegen. Ich hörte sekundenlanges strahlen des Bugstrahlruders, drehte mich um und sah, wir die Yacht ungebremst mit dem Heck an den Pier krachte. Die Heckfender federten ein, einer platzte, der verbliebene katapultierte das Boot wieder nach vorne. Die Crew von Pitter-Yachting schrie den Skipper an, der legte wieder den Rückwärtsgang ein und versuchte mit dem Bugstrahlruder das Boot zu stabilisieren anstatt sich auf den Motor zu konzentrieren. Das Boot nahm wieder ordentlich Fahrt auf und krachte erneut mit dem Heck ungebremst an den Pier. Dieses Mal ohne schützende Fender. Ein schlimmes Geräusch, bei dem alle Zuschauer zusammenzuckten und die Hände vor das Gesicht hielten. Großes Hafenkino. Dann sprang einer vom Pier auf das Boot und löste den völlig überforderten Skipper ab. Als sich die Aufregung legte, schaute ich mir das Loch im Rumpf der Beneteau an. Die Kaution war wohl weg, dachte ich. Anlegen im Hafen ist für alle Skipper aufregend, weil viel schief gehen kann und kleinste Berührungen schnell teuer werden können.

Eigentlich haben wir uns auf unserem Törn gar nicht so schlecht angestellt, dachte ich. Eigentlich haben wir vieles sogar ziemlich gut gemacht. Beim Segeln und auch bei Hafenmanövern unter Motor. Und wir haben neue, traumhaft schöne Segelgefilde entdeckt. Ich hatte Thomas zugesagt, im nächsten Jahr wieder für eine Woche bei ihm am Ruder zu stehen.

Logbucheintrag Ende.

Logbucheintrag #2 der Segelyacht Lucia
Boardzeit: Montag 07.06.2021 14:05 Uhr
Position: 3 NM SW zwischen Unije und Mali Losinj
Kurs 120°, Wind 2KN

Ich schaute in die müden Gesichter der Crew, die sich alle mehr oder weniger entspannt auf Deck eingerichtet hatten. Der Motor machte einen Höllenlärm. Thomas am Steuer.

Thomas: Der Wind frischt langsam auf. Schon 6 Knoten. Das ist die Bora. Typischer Fallwind vom Festland. Macht euch mal fertig zum Segelsetzen.
Alle: Orrr, hää?, muss das jetzt sein? Was jetzt?
Thomas: Los! Endlich Wind. Klar machen zum Segelsetzen auf Halbwind Kurs. Das heißt, wir kriegen den Wind genau von der Seite. Das heißt, die Segel sind weit draußen. Daniel, du ans Großfall! Ingo und Thorsten, ihr beide an die Fock!
Thomas! So Daniel, los!
Ich zog an der Strippe, die mit Grossfall beschriftet war und das Großsegel entfaltete sich wie von Zauberhand von unten nach oben. Nach einigen Metern wurde es anstrengend und ich legte das Seil, das eigentlich Leine hieß um die Winch, steckte die Kurbel auf und kurbelte solange, bis das Segel oben war.
Thomas: Sauber! Und jetzt die Genua.
Thorsten: Was ist denn jetzt eine Genua? Denke Fock!
Thomas: Ist doch das gleiche!
Thorsten: Wenn das das gleiche ist, warum heißt das dann nicht gleich?
Thomas: Das ist jetzt nicht die Zeit für Diskussionen!
Thorsten: Also was denn jetzt? Wir reden über das Segel da ganz vorne, oder?

Ingo hatte, während die beiden sich gegenseitig beharkten das vordere Segel inzwischen schon ausgezogen und kurbelte jetzt auch fleißig. Ich drehte mich um, belegte die Winch mit der Großschot, öffnete die Bremse und löste die Großschot so lange, bis der Wind das Großsegel mit dem Baum bis auf Höhe Reling gedrückt hatte.

Ingo: Soll ich die Fock noch dichter holen?
Ich: nein, ist schon zu viel. Noch etwas auffieren, also mehr Leine geben.

Wir wickelten die Leinen etwas auf und hörten dem Quatschgespräch von Thorsten und Thomas zu. Sie redeten und redeten. Genua ist länger und geht bis hinter den Mast…Fock ist kürzer….Selbstwendefock…immerhin…muss man auch mal…unterschiedliche Segeltücher…Genacker… Ulli zeigte auf die beiden Steuerräder, die sich von ganz alleine hin und her drehten, während Thomas mit den Händen wild gestikulierte. Wir lachten.

Ingo: Na Thomas, du hast den härtesten Job von allen hier, oder?
Thomas erschrocken: Klar machen zum Segelsetzen!
Ingo: Ist schon längst erledigt.
Thomas: Wann habt ihr das denn gemacht und woher wisst ihr wie das geht?
Ingo: Wir wollten dich nicht stören. Können wir dir noch einen Kaffee bringen oder die Füße massieren?
Ich: Wikipedia.

Logbucheintrag #1 der Segelyacht Lucia
Boardzeit: Sonntag 06.06.2021 11:05 Uhr
Position: Marina Veruda, Pula

Nachdem das letzte Brötchen für aufgegessen, der letzte Kaffee getrunken, die letzt Besorgung getan, der letzte Teller abgewaschen und die letzte Zigarette für abgeraucht erklärt wurde ging es langsam los. 

Ich hatte mich auf Deck in die Sonne gesetzt und chillte, Thorsten und Ingo hingen hinten im Schatten ab und redeten über etwas das ich nicht verstehen konnte, Uli war an Land und Thomas ging in seine Kajüte sich umziehen wie er betonte. Es wehte ein leichter Wind, die Sonne war angenehm warm und die Möwen stritten sich um die Fischabfälle, die die Fischer nach ihrem Fang ins Meer geworfen hatten. Es sah so aus als wenn es ein wunderschöner Tag werden würde. Plötzlich begann es hektisch zu werden. 

Thomas: Klar machen zum Ablegen, ihr Landratten!
Thorsten und Ingo: Ja gleich, was soll denn die Hektik jetzt?
Uli zeitgleich: Was müssen wir denn machen? Ich denke du segelst uns hier über das Mittelmeer und wir chillen.
Ich: Wie ablegen? Ich muss erst noch aufrauchen und dann noch mal aufs Klo.
Thomas mit in die Hüften gestemmten Fäusten: Nix da! Befehl ist Befehl! Daniel, du holst den Landanschluss ein und stellst sicher, dass der Gashahn zu ist. Ingo, Thorsten ihr beide verklappt das Bimini und die Sprayhood. Uli, du kontrollierst, ob die Lucken zu sind. Und zwar schnell, sonst mach ich euch Beine!

Alle erschraken und sprangen hektisch auf. Der Ton war neu. Urlaub hatte ich mir eigentlich anders vorgestellt aber es war jetzt nicht die Zeit, um über Urlaubsvorstellungen zu sinnieren. Landanschluss. Komisches Wort, dachte ich und betrachtete das Brett, über das man vom Steg zum Boot läuft. Es war am Boot mit zwei Strippen festgebunden und ich begann sie abzutüdeln, als Thomas plötzlich schrie: „Der Landanschluss Daniel, der Landanschluss ist das Stromkabel. Das muss zuerst ab. Wie willst Du das denn sonst holen, wenn Du nicht mehr an Land kommst! Himmel noch eins!“ Ich sprang ohne aufzusehen auf, hastete über die Planke zum Stromkabel, zog den Stecker raus und rannte mit dem Knäuel zurück aufs Boot. Schneller, schneller, schneller, rief Thomas. Wohin, fragte ich scheinbar zu allen und sah schon an Thomas’s Blick, dass ich es wahrscheinlich erst aufwickeln muss, bevor es verpackt wird. Ja,ja, aufwickeln, schon klar, sagte ich. Das kommt dann in die Backskiste und zeigt mit dem Finger auf den Sitz, den man hochklappen und unter dem ein riesiger Stauraum war. Danach fummelte ich wieder an dem Brett rum weil das ja meiner Meinung nach auch ab musste, bevor wir los können. 

Ich: Ingo! Wo kommt das Brett hin?. Bleibt das hier oder nehmen wir das mit? 
Ingo lachte: Das nehmen wir mit. Kommt da vorne an die Reling und wird festgebunden.
Thomas: Finger weg. Hab ich den Befehl geben, die Stelling einzuholen? Die Stelling immer erst zum Schluss und erst wenn der Motor an ist!. Alles klar Chef, murmelte ich.

Er machte den Motor an und guckte seitlich am Boot herunter. Da spritzte Wasser raus, das wohl so etwas wie Kühlwasser für den Motor war. Jetzt die Stelling rein, rief Thomas. Uli und ich bugsierten das Ding nach vorne, stellten es auf den Boden und banden es mit den Strippen an der Reling fest. Wie ging das jetzt noch mal mit den Knoten? Webleinstek, erinnerte ich mich. Wie ging der doch gleich. Eineinhalb mal rum, dann schräg über die anderen und unten wieder durch und fest. Uli, schau mal ob der richtig ist. Sieht gut aus, sagte sie. Amtlicher Hausfrauenknoten. Lass das bloß nicht Thomas sehen, flüsterte sie zu mir rüber.

Thomas: Klar machen zum Ablegen! Daniel, Backboard Mooringleine losmachen. Ulli, du den Backboard Festmacher hier aber pass auf, dass die Leine nicht ins Wasser fällt.  Immer zuerst Lee, dann Luv. Thorsten, du zum Bug aber die Mooring erst los wenn ich das sage. Ingo, du den Steuerboard Festmacher. 
Daniel: Mooring Leine ist los!
Uli: Hinten ist los!
Thomas: Mooring Leine Steuerboard los
Thorsten: Mooring ist los
Thomas: Ingo, mach die Leine los aber pass auf das sie nicht ins Wasser fällt.
Ingo: Festmacher los.

Ich lief nach vorne und sah wie Ulli und Ingo zwei nasse Leinen aufwickelten. Thomas gab Gas, die Fender zwischen uns und dem Schiff links quietschten etwas und dann rum um die Kurve und draußen waren wir.

Ulli: Wenn das so weiter geht, sehe ich keinen Urlaub mehr! 

Thorsten grinste und Ingo nickte dazu: Voll der Ledernacken!

Samstag, 05.06.2021, 17:00 Uhr

Nach 12 Stunden autobahngurkerei in Pula in der Marina Veruda (Kroatien, Istrien) angekommen. Große Begrüßungsorgie. Ingo, ein Kumpel von Thomas, den ich schon kannte und Thorsten, ebenfalls ein guter Kumpel von Thomas waren schon da. Thomas, Uli und Ich sind gemeinsam ab Berlin losgefahren.

Wir liefen vom Parkplatz auf den Anlegesteg der Marina bis zu unserem Boot, das Thomas für die nächsten 7 Tage gechartert hatte und standen an Deck und waren dann doch froh, dass wir ein Begrüßungsbier mitgenommen hatten.

Segelboote waren mir bisher immer suspekt. Die vielen Strippen, die aus dem Nichts kamen und ins nichts zu führen schienen, die unübersichtlichen Masten mit Rollsegeln oder Fallsegeln, Lazy irgendwas, Stahlseile, mehrere Steuerräder, Gasanschlüsse, unterschiedliche Rumpfformen und die merkwürdige Seglersprache, die Segler immer an den Tag legten. Unter einem Boot verstand ich ein stromlinienförmigen Rumpf und ein im Idealfall dicker Motor mit ordentlich PS. Bisher kannte ich nur das Boot von Micha und Renate, es war ein kleines blaues DDR Boot aus dem klassischen DDR Duoplast Trabant Material mit Lenkrad und man konnte es ohne Führerschein fahren. Das war mir bisher eigentlich auch immer am Liebsten gewesen. Für diese Geschichte hier braucht man einen Motorbootführerschein Binnen und See, Segelerlaubnis für Küstennahe Seefahrt, Funkerlaubnis und was weiß ich noch für Diplome, die ich alle nicht hatte und auch nicht haben wollte. Bootfahren war bisher für mich immer mit Spaß verbunden gewesen und das hier, soviel war klar, sah nicht nach Spaß sondern nach Arbeit aus und ich hoffte, dass sich die Arbeit eher auf Thomas bezieht, der unser Skipper war und das hoffentlich alles schon bedienen würde.

Ich: Was ist eine Großschot? (das las ich auf einer der vielen Beschriftungen für alle die Strippen, die irgendwie ins Cockpit führten)
Uli: Na das sieht man doch, die führt da rum und dann da lang und ist endet dann am Baum und dient wohl zur Verstellung des Segels.
Ich: Und warum gibt es zwei Steuerräder und wie schnell ist das Ding so?
Thomas: Das zweite ist dazu da, damit du auch mal was machen kannst und nicht nur auf der faulen Haut rumliegst.
Ich: Kann jemand anderes haben. Ich nehme lieber die faule Haut. Deshalb sind wir ja hier stimmts, Uli?
Uli: Auf jeden!
Thomas grinste: Abwarten. Das haben die neuen Boote alle. Gerade die Charterboote. Eigner gehen inzwischen mehr auf Centercockpit. Bei Charterbooten ist das jetzt so. Kommt durch die Rumpfform. Hatten eigentlich früher eher die, die zur Atlantiküberquerung gebaut wurden aber jetzt ist das eben für den Chartermarkt das angesagte Ding.
Ich: Aha. Und das hier ist neu, ja?
Uli: Klar ist das neu. Guck dich doch mal um.
Ingo: Das riecht doch noch neu.
Thomas: Worauf Du einen lassen kannst. Stapellauf 2021! Das ist so neu, da findest du keine Muschel am Rumpf. Kannst gerne nachsehen.
Ich: jetzt?

Thomas schüttelte den Kopf und ging runter in den Salon.

Ich: Schon gut, ich glaub dir das. Tolles Boot. Den Rest glaub ich dir auch.

Schweigen.

Ich: Was machen wir denn die Woche über? 
Uli: Ich hoffe auf Sonnenbaden und Land und Kultur kennenlernen. Gutes Essen wäre auch schön.
Ich: joa, und hoffentlich ne Menge nichts tun dazwischen.
Ingo: Ja das klingt super. Voll das Urlaubsding
Thorsten: Ich freu mich einfach bei euch zu sein und mal wieder mit normalen Leuten zu quatschen. Der Rest ist fakultativ.
Uli: Stark. Fakultativ.
Ich: Das klingt nach einer schönen Woche. Weiß schon einer eine Route oder legen wir uns einfach in eine Bucht und chillen?
Thomas: Moment mal. Route machen wir morgen. Hab uns ordentlich Strecke rausgesucht. Wir sind ja schließlich alle zum Segeln hier und nicht zum Rumlungern. Das könnt ihr auch auf Malle haben. Hier werden ordentlich Doppelschichten geschoben und Seemeilen abgespult.
Uli: Das sehe ich noch nicht: Mir wurde Sonne, Kultur und Entspannung versprochen. Und wenn das hier in nen Sportereignis ausartet, dann hast Du hier die erste Meuterei an Board, Sportsfreund.
Ich: Haha Ja! Ich bin dafür! Und ich will grillen!
Thorsten lachend: Uns wurde wohl jedem was anders versprochen. Hautsache Urlaub. Und normale Leute.
Ingo: Guck mal da drüben, die Hallberg Rassy da breitet schon mal das Spi vor.
Thomas. Ja gute Idee Ingo, Spinnaker. Das müssen wir auch unbedingt machen. Ich hab extra nen Spisegel mitgebucht. Kostet extra aber macht auch extra Spaß. Ist aber nur was für echte Pro’s.

Entsetzen und fragende Blicke in der restlichen Runde.

Ahoi Kroatien – Segeltörn Blog

Sonntag, 30.05.2021 18:54 Uhr

Was bisher geschah: Bisher geschah nichts, denn dieser Blog geht erst in einer Woche los. Ich bin gerade auf der Couch eingeschlafen, als das Telefon klingelte.

Ich: Ja?
Thomas: Hier ist Thomas! Hast Du schon deine Sachen gepackt?
Ich: Ich weiß. Welche Sachen?
Thomas: Was weißt du?
Ich: Ich weiß, dass du das bist, weil es inzwischen digitale Telefone gibt, bei denen der Anrufende angezeigt wird.
Thomas: Achso, ja klar. Bist du fertig?
Ich: Womit denn? 
Thomas: Nächste Woche geht’s los! 
Ich: Ja ich weiß. Segeln. Kroatien. Das vergesse ich doch nicht.
Thomas: Bei dir weiß man nie!
Ich: Was soll das denn heißen? Und wieso soll ich eine Woche vorher meine Sachen packen?
Thomas: Weil du sonst die Hälfte vergisst!
Ich: Stimmt auch wieder aber ich brauch ja nix. Außerdem denkt Uli an alles.
Thomas: Das ist mein Spruch. Na gut. Dann leg dich wieder hin. Wollte dir nur durchgeben, wie wir da hin kommen und wann Abfahrt ist und so, nicht dass wir dann wieder alle auf dich warten müssen.
Ich: Ja das ist nett von dir aber das vergesse ich bis dahin eh wieder. Sag am besten noch mal 2 Stunden vorher Bescheid. Das reicht.
Thomas: Alles klärchen! Tabletten für Seekrankheit brauchst du nicht, die hab ich.
Ich: Wieso Seekrankheit?
Thomas: Brauchst Du nicht. Ich hab welche. Und Mobilat. Das reicht. Mehr braucht man nicht.
Ich: Na wenn du das sagst.
Thomas: Blogst Du eigentlich wieder? 
Ich: Hmm nein, keine Ahnung. Ich weiß nicht mal wo das Ding ist und wie meine Zugangsdaten waren.
Thomas: Das wird ja wohl für einen Informatiker nicht so schwer sein, das herauszufinden. Wir brauchen den, weil wir ein Schiffslogbuch führen müssen. Dann haben wir das gleich hinter uns und müssen das nicht separat machen.
Dann legte er auf.

Ich fragte mich, ob ich das alles nur geträumt habe. Eigentlich keine schlechte Idee. Der alte Blog war ja immer eher so ein Roadtrip Ding aber warum sollte man damit kein Schiffslogbuch führen. Ein Blog ist ja schließlich ein Web-Log und Internet-Tagebuch Ding. Bloggen ist inzwischen bestimmt total out. Heute gibt’s doch nur noch Insta Stories, Tik-Tok Streams, Whatsapp Status und Youtube Live und was anderes kennt doch gar keiner mehr.

Tag 18

Ein fantastisches Land mit einer großartigen Kultur, dachte ich, als ich meinen Kram für den Flug zusammen sammelte und die Dreckwäsche auf die Vakuumbeutel verteilte. Ich mochte die Vielseitigkeit, die Hilfsbereitschaft, den Pragmatismus, mochte es zu sehen, wie das Land auf dem Weg zum westlichen Standard ist, die Landschaften, die Flora, die Mopedkultur, die Rücksicht, die winkenden Kinder, die interessierten Menschen, die ich getroffen hatte und den Kaffee, der der Beste der Welt für mich war. Eigentlich mochte ich auch meine kleine Honda, die keine war, auch wenn ich das nicht immer so zeigen konnte. Was ich nicht mochte, war der Dreck und der Müll, das ewige gehupe, die Geisterfahrer und das Essen, denn ich konnte mich nur in Reichweite einer Toilette ernähren. Am Ende konnte ich, und darauf war ich stolz, sogar die Gerüche unterscheiden und wusste, ob es Müll ist, den sie überall verbrannten oder eine Küche am Strassenrand, in der sie was kochten, daran hatte ich mich gewöhnt aber von mögen war ich, auch da muss man ehrlich sein, dachte ich, weit entfernt und erinnerte mich an den gestrigen Tag, als ich zusammen mit meinen Noroviren einen 6h Trip zurück gelegt hatte und alle 30 Minuten jeden Schluck, den ich trank wieder auskotzte. Schade, hatte ich gedacht, als ein großer Schwung in meinen Helm ging, schade, eine halbe Sekunde später wäre besser gewesen aber auch das hatte sich jetzt erledigt, denn einerseits war ich nach 12 Stunden Schlaf wieder fit und andererseits hatte ich gleich nach dem Aufstehen meine kleine Honda, die keine war, bei einem Händler für 300 Dollar verkauft. Mit Teddy.

Abends ist der Akku leer aber bis er leer ist, ist das ein weg, der gesäumt ist von Schwierigkeiten, dachte ich nun, als ich mir den letzten Satz sauberer Sachen für morgen weg legte und mich fragte, ob ich noch mal nach Südostasien reisen würde. Zum Glück, liefen die letzten 3 Wochen, abgesehen von einer derben Lebensmittelvergiftung und einigen beinahe Crashs, halbwegs ohne Katastrophen ab, dachte ich und packte noch meinen Pass dazu. Schwer verwirrt am Morgen und abends auch nicht klug, hatte eine Freundin mal gesagt und das passte irgendwie, denn eine Antwort auf die Frage, ob ich sowas noch mal machen würde, hatte ich nicht. Es hatte mir auch seit langer Zeit mal wieder Spaß gemacht, dieses Internet Logbuch zu führen, in dem, wie es sich für ein ordentliches Logbuch gehörte, ordentlich Seemannsgarn drin steckte. Ich hatte mir aus der Schule den Satz von Aristoteles gemerkt, der schrieb, dass der Geschichtsschreiber davon erzählt wie es war aber der Tragödienschreiber davon wie es sein könnte. Und so hätte es eben auch sein können.

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Warum nur, dachte ich, möchten alle meinen Teddy anfassen. Ich bin auch flauschig.

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Deliveroo – Fresh Food Straight to Your Door

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Bye Bye kleine Honda. Bye Bye Vietnam.

Tag 16

Wo ist eigentlich die Gitarre hin, dachte ich auf der Strecke zwischen Dalat und Mui Ne. Es war der schönste Streckenabschnitt bisher gewesen, da war ich mir sicher. Die Straßen klein und kurvig und auch landschaftlich hatte das Drumherum ordentlich was her gemacht, wie ich fand. Für diese Gedanken war aber nun keine Zeit, denn zusammen mit der Gitarre musste auch meine Jacke irgendwo rum liegen, ich wusste ja nicht, wann ich den ganzen Gepäckaufbau verloren hatte.  Der Anblick des Mopeds, samt Rucksack, Gitarre und mir sah ohnehin grotesk aus. Eigentlich ist es gar nicht so schlimm, dachte ich, sich von alten Sachen zu trennen, aber die Gitarre war noch nicht so alt und die Jacke auch nicht. Am Horizont tauchte plötzlich wie aus dem Nichts in der Mitte der Straße etwas auf aber ich konnte noch nicht erkennen, was. Die Straße spiegelte sich in der Hitze und beim Näherkommen sah ich, wie jemand eine 180 Grad Wende hinlegte und sich aus dem Staub machte, dann erkannte ich auch meine Gitarre aber da war keine Jacke und ich überlegte, was ich jetzt tun sollte. Die Gitarre, an der mir inzwischen viel lag, wird nach ihrem Abgang bei 85 sicher einen noch schlechteren Klang haben als vorher, also entschied ich mich für den Typen, der nun vor mir flüchtete. Wir lieferten uns ein Rennen über viele Kilometer auf der buckeligen Straße. Der kennt hier jede Kurve, er lebt ja hier, da ist er im Vorteil und ich war in diesem Moment sehr dankbar, dass ich hinter Hanoi meine Handyhalterung verloren hatte. Zum Glück ohne Handy. Damit war ich jetzt leichter und auch noch windschnittiger, denn der linke Spiegel hatte es ja auch nicht bis nach Dalat geschafft. Fehlende Ortskenntnis kann man eigentlich nur durch mehr Risiko ausgleichen und immer schön weiter am Gas bleiben und so wenig wie möglich bremsen, gerade in den Kurven, dachte ich, nur keinen Schwung verlieren, dachte ich und arbeitete mich immer weiter an den Schurken ran. Jetzt nur noch 100m, ein Fehler und dann hab ich dich, so und jetzt ein bissl Stützgas, anbremsen, rum und immer schön weiter am Gas bleiben, und so und so, und während ich mir gerade versuchte vorzustellen, dass wir gleich Faustkämpfe um meine Jacke aufführen würden und während ich mich Meter um Meter weiter an ihn ran arbeitete, gab er plötzlich auf und hielt an. Schöne Jacke hast du da, du kleiner Gauner. Ja, sagte er. Los, zieh die aus, du siehst ja total lächerlich damit aus, willst wohl noch rein wachsen, was? Er hatte wohl schon geahnt, dass es schwierig werden würde und gab sie mir kampflos zurück. Dann sammelte ich den Rest meiner Gitarre ein.

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Ohne Naviapp würde ich noch immer nach dem Ausgang suchen

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Die Spiegel sehen ja besser aus, als ich dachte.

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